iX 8/2024
S. 3
Editorial
August 2024

Nvidias Dominanz – Klagen hilft nicht

Ulrich Wolf

Im Goldrausch werden nicht die Goldgräber reich, sondern die Hersteller von Schaufeln. Der KI-Rausch der letzten zwei Jahre kam vor allem dem GPU-Hersteller Nvidia zugute. Mit den Schaufeln der Konkurrenz wollen oder können die KI-Goldgräber nicht arbeiten. Nvidia wurde kurzzeitig zum wertvollsten Unternehmen der Welt, sackte allein in den letzten drei Monaten 15 Milliarden Dollar Gewinn ein, bei unglaublichen Margen von um die 70 Prozent. Ohne jeden Zweifel: Die Firma nutzt ihr Quasimonopol weidlich aus.

Das ruft Wettbewerbshüter auf den Plan. Die französische Kartellbehörde Autorité de la concurrence hat jetzt offizielle Ermittlungen eingeleitet, will möglicherweise eine Klage anstrengen und hat die CUDA-Plattform als Hauptursache der Marktdominanz ausgemacht. Mit Recht. Obwohl Nvidia fabulöse Beschleuniger baut, ist es die Softwareschnittstelle, die für viele Entwickler alternativlos ist und sie an die Plattform bindet. Trotzdem ist es der falsche Weg, mit dem Hammer des Wettbewerbsrechts auf diese Stelle einzuschlagen. Denn wer will es Nvidia verdenken, dass es für die eigenen GPUs Schnittstellen und Ökosysteme so entwickelt, dass sie perfekt funktionieren?

Ursachen für Nvidias Dominanz gibt es einige. Den Grundstein hat das Unternehmen einfach mit überzeugenden Grafikkarten gelegt. Es hat früh erkannt, wie wichtig GPUs und ihre Schnittstellen für Machine Learning sind. Und als der Boom einsetzte, war CUDA bereits da. Ein ganz erheblicher Grund ist aber auch das völlige Versagen der anderen Marktteilnehmer, einem offenen Standard wirklich zum Durchbruch zu verhelfen. An Versuchen herrscht kein Mangel, von OpenCL, ROCm, oneAPI, Triton bis zur UXL Foundation unter dem Dach der Linux Foundation. Diese Versuche werden nicht erfolgreicher, wenn man Nvidia zu Bußgeldern verdonnert.

Die veröffentlichten Dokumente der französischen Autorité deuten aber darauf hin, dass sie dem Konzern nicht (nur) in die Kasse greifen will, sondern mehr vorhat: Sie will den Digital Markets Act (DMA) gegen den übermächtigen Hersteller in Stellung bringen. Dann müsste die Behörde ein Gericht überzeugen, dass Nvidia ein zentraler Plattformdienst ist und eine Gatekeeper-Rolle einnimmt. Den DMA so zu überdehnen, ist abenteuerlich. Denn in die aufgelisteten Kategorien des DMA passt Nvidia nicht hinein. Sollte es dennoch gelingen, könnte das Unternehmen gezwungen werden, CUDA weiter zu öffnen und seine Lizenzbedingungen zu ändern. Nur was bringt das?

Derzeit könnte es sich Nvidia sogar leisten, aus dem europäischen Markt zu verschwinden. Die weltweite GPU-Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem, und andere Länder haben auch schöne Rechenzentren. Für die Wettbewerbsfähigkeit Europas wäre das ein Bärendienst und ausgerechnet in Frankreich stehen mit Mistral und Hugging Face zwei der wenigen echten europäischen KI-Leuchttürme.

Doch selbst wenn es so weit nicht kommt: Nvidia würde allein durch seine Verschränkung von Hardware- und Softwareentwicklung und seine unbegrenzten Ressourcen weiterhin bestimmen, wo es langgeht – und Mitbewerber wären gezwungen hinterherzuhecheln. Das dürfte denen kaum schmecken. KI-Framework- und Bibliotheksanbieter hingegen hätten noch weniger Grund, andere Architekturen zu berücksichtigen. Es hilft alles nichts: Die Dominanz bleibt so lange bestehen, bis sich eine offene, konkurrenzfähige CUDA-Alternative durchgesetzt hat. Ob mit Kartellprozess oder ohne.

ULRICH WOLF

Ulrich Wolf

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