Mac & i 2/2019
S. 3
Editorial

Erfindet sich Apple neu?

Wie kann Apple 1,4 Milliarden aktiv genutzte Geräte, darunter 900 Millionen iPhones, nachhaltig monetarisieren? Jedenfalls nicht (allein) durch den Verkauf immer neuer Hardware-Generationen. Das Ende der Fahnenstange ist erreicht, das Geschäft rückläufig.

Macs, iPads (siehe Seiten 8 und 10), iPhones und Watches genügen nicht, um langfristig an der Börse zu überzeugen. Anleger brauchen eine klare Vision, wie das Unternehmen weiterwachsen soll, sonst stoßen sie ihre Wertpapiere ab. Dass das mehr als unangenehm werden kann, musste die Apple-Führung im letzten Quartal zähneknirschend zur Kenntnis nehmen. Der Aktienkurs ging in den Keller, einige Analysten sagten sogar das Ende Apples voraus (siehe Seite 134).

Nun will Tim Cook den Konzern vom Erfolgszwang des Hardware-Geschäfts lösen – und mehr Geld mit Dienstleistungen verdienen. Im App Store stehen die Weichen schon länger auf Abos. Apple Music schickt sich an, Marktführer Spotify einzuholen. Auch Apple Pay, mit dem das Unternehmen schätzungsweise 0,15 Prozent an jeder Transaktion verdient, entwickelt sich gut. In Summe haben die Apple-Dienste im letzten Jahr 40 Milliarden Dollar eingebracht – und sich sogar auf Position 2 in der Bilanz hochgearbeitet.

In diesem Zuge hat Apple sich kürzlich überraschend geöffnet und Apple Music für Amazon Alexa und AirPlay 2 respektive HomeKit für TV-Hersteller freigegeben. Wenn schon Geld verdienen mit Inhalten, warum dann nur an Besitzern von Apple-Geräten?

Kurz vor dem Druck dieser Ausgabe kündigte Apple weitere Dienste an: Demnächst mischt Cupertino auch bei Film-, Serien-, Spiele- und Zeitschriften-Flatrates mit und legt eine eigene Kreditkarte auf (siehe Seite 12). Und plötzlich konkurriert Apple nicht nur mit Netflix, Amazon Prime, Google und Facebook, sondern auch mit den Banken.

So mancher Marktbeobachter vermutet bereits, Apple erfinde sich gerade neu, wandele sich zum dritten Mal vom Hardware-Hersteller über den Mobilgeräteprimus zum Medienkonzern. Doch bis Apple die Abhängigkeit von den iPhone-Gewinnen signifikant reduzieren kann, wird es eine ganze Weile dauern.

Bleibt zu hoffen, dass Apple die großen Player noch ins Boot holt, faire Preise aufruft – und die neuen Dienste nicht wieder nur in den USA anbietet, sondern etwa auch in Deutschland. Wir sind immerhin die größte Volkswirtschaft in Europa, dieses Potenzial sollte Apple nicht unterschätzen.

Stephan Ehrmann

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