Sollte Apple mehr Haltung zeigen?
Die chinesische Regierung verlangt das Löschen missliebiger Apps, Russland möchte staatlich vorgeschriebene Software auf iPhones installieren, und Tim Cook muss sich fragen lassen, ob seine Annäherung an Donald Trump tatsächlich so eine gute Idee war.
Contra
Kai Schwirzke meint, dass Apple schon viel zu oft den Weltverbesserer gibt.
Apple b aut Computer, Mobiltelefone und versucht sich als Filmproduzent. Warum, um alles in der Welt, sollten wir von diesem Unternehmen wesentliche Beiträge zur Weltverbesserung erwarten? Wenn Sie mich fragen, mischt sich Apple bereits viel zu sehr in das tägliche Leben ein. Wie kommt Apple bloß auf die Idee, Apps für E-Zigaretten zu löschen und mir damit vorschreiben zu wollen, ob ich diese mit meinem iPhone steuern darf? Wenn Apple um meine Gesundheit besorgt ist, wirft es demnächst womöglich auch Apps raus, die sich mit Whiskey, Bier oder Wein beschäftigen – Alkohol macht schließlich ebenfalls krank. Bitte nicht. Das sorgfältig gepflegte grüne Image hat für mich ebenfalls einen schalen Nachgeschmack. Immer wieder wirbt Apple mit viel Brimborium für „recyceltes Aluminium“. Tatsächlich formen sie neue Geräteschalen aber nur aus beim Fräsen anfallenden Spänen. Aus meiner Sicht soll das mehr Kosten reduzieren als die Umwelt schonen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass viel von dem vermeintlichen Engagement lediglich einem möglichst positiven Bild in der Öffentlichkeit dient. Zwar riskiert Apple in der Frage der russischen Staatsapps eine dicke Lippe, lässt sich von der chinesischen Regierung aber dazu drängen, Apps zu löschen, die den Demonstranten in Hongkong bei der Organisation von Protesten helfen. Schlimm finde ich, dass Apple auch noch die „Argumente“ der Regierungsseite übernimmt, die Apps gefährdeten die innere Sicherheit und die Arbeit der Polizei. Klare Haltung nur dann, wenn es gerade passt? Das braucht keiner. Apple sollte sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, uns mit tollen, innovativen Produkten begeistern und die Weltverbesserei anderen überlassen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich finde es klasse, wenn sich Tim Cook für Migranten einsetzt. Aber sollte er das nicht besser als Privatperson tun statt als CEO von Apple? Bill Gates hat das für sich sehr gut gelöst: Erst aus dem Unternehmen zurückziehen, dann das Thema Weltrettung angehen. ( kai )
Pro
Wolfgang Reszel findet, dass sich Apple stärker für eine bessere Welt einsetzen sollte.
Apple trägt eine große V erantwortung: Sie verarbeiten Kobalt, das im Kongo unter menschenunwürdigen Umständen gefördert wird, und verbrauchen massenhaft Energie. Nicht nur die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben hängen von Apples Entscheidungen ab, sondern auch die Sicherheit von Daten, im Ernstfall sogar das Leben von Anwendern. Daher ist es wichtig, dass Tim Cook Missstände anspricht und, wo immer möglich, auflöst. Allerdings gehen mir die Kalifornier nicht weit genug. Warum messen sie das iPhone nicht am Fairphone, verbauen noch weniger Konfliktmineralien, sorgen für austauschbare Komponenten und eine faire Bezahlung aller Beteiligten? Apple könnte es sich leisten. Eine klare Haltung zeigten sie kürzlich in Russland. Dort sollen künftig auf allen Smartphones staatlich verordnete Apps vorinstalliert werden. Apple lehnt dies mit großem Nachdruck ab. Sollte Russland darauf bestehen, werde man das dortige Geschäftsmodell gründlich überdenken. Derart klare Ansagen wünsche ich mir viel häufiger, etwa in China, wo Apple sich zum Löschen unliebsamer Apps hat überreden lassen. Außerdem bedarf es einer klaren Position zur amerikanischen Politik. Natürlich kommt ein CEO wie Cook nicht umhin, mit seinem Staatsoberhaupt über Themen wie Strafzölle zu diskutieren, da geht es schließlich um viel Geld. Aber dass der liberale Cook dem erzkonservativen Donald Trump beim Wahlkampf behilflich ist, indem er ihm gestattet, image-förderndes Videomaterial bei der Mac-Pro-Fertigung zu produzieren, ärgert mich. Dass Apple kürzlich alle Apps aus dem Store verbannte, die sich mit gesundheitsschädlichen E-Zigaretten beschäftigen, ist für mich nur ein erster Schritt. Im nächsten Anlauf sollte Apple Spiele löschen, die abhängig machen und den Anwendern per In-App-Kauf Unsummen aus der Tasche ziehen. Angemessen wäre, die Nutzer vor Abzocke zu schützen statt an den Provisionen mitzuverdienen. Also Apple: Bitte mehr Haltung zeigen, auch wenn es Geld kostet. ( wre )