Ist das Apple TV ein Flop?
Mit AirPlay und TV-App bringt Apple immer mehr Kernfunktionen des Apple TV direkt auf Fernseher anderer Hersteller. Ist die TV-Box damit endgültig abgemeldet?
Pro
Ben Schwan meint, Apple agiert viel zu langsam und hat bei der TV-Box viele Chancen vergeudet.
Ich würde das Apple TV ja gerne l ieben, aber es regt mich einfach zu sehr auf. Da wären die zahlreichen Varianten der Benutzerführung, die Apple implementiert, sodass man selbst einfache Vorgänge wie das Navigieren in Videos mit jeder tvOS-Version neu lernen muss. Die Oberfläche scheint mir immer werblicher zu werden: Andauernd bombardiert sie mich mit Werbetrailern für TV+-Serien, die mich nicht interessieren. Gaming fände ich auf dem Gerät ja gut, schließlich hängt es am großen Fernseher. Aber die inkonsistente Spielequalität selbst bei Apple Arcade – manche Titel sind schlicht nicht richtig angepasst ans Apple TV – und die mittlerweile angestaubte A10X-CPU, die noch aus dem iPad Pro von 2017 stammt, machen mir keine Freude. Hinzu kommt, dass Entwickler tvOS als Betriebssystem dritter Klasse betrachten. Es gibt nur wenig attraktive Apps, Updates werden oft spät geliefert und nervige Bugs hin zum Totalabsturz bleiben lange erhalten. Die Nutzung eines Apple TV 4K als HomeKit-Bridge, welche die Bluetooth-Erreichbarkeit von Leuchten verbessern sollte, war bei mir auch nur von bescheidenem Erfolg gekrönt. Apple glaubt, alte Hardware ewig weiterverkaufen zu können. Was aber gebraucht wird, ist eine neue Generation mit zeitgemäßer Leistung. Bei der Gelegenheit könnte der Konzern auch einen WLAN-Router einbauen, die ungeliebte Siri Remote durch eine bessere Fernbedienung ersetzen, einen Game-Controller beilegen und den Streaming-Fans Funktionen bieten, die es auf Smart-TVs nicht gibt. Stattdessen hat sich Apple entschieden, eine App an Hersteller von Fernsehern weiterzugeben, die darauf teilweise nur unzufriedenstellend läuft. Diese Energie sollte das Unternehmen besser in ein richtig gutes Apple TV stecken. ( bsc )
Contra
Für Leo Becker ist das Apple TV eine Erfolgsgeschichte – und bietet Potenzial zur Verbesserung.
Zu Apples R iesenumsatz trägt Apple TV vielleicht eine Nachkommastelle bei, das ist klar. Doch die kleine Box erweist sich als ebenso beharrlich wie wandelfähig: Was vor 13 Jahren praktisch als abgespeckter Mac mit TV-Interface sein Debüt gab, ist zu einem Gerät mit eigenem Betriebssystem auf iOS-Basis und umfassender Dienste-Integration herangewachsen. Besonders eilig hat es Apple mit der Weiterentwicklung leider nicht und strategische Fehler gab es auch, wie die Vorgabe, dass Spiele über die eingeschränkte Siri Remote steuerbar sein müssen. Doch heute verbinden sich beliebte Konsolen-Controller mit der Box und der Spieledienst Arcade bietet eine breite Auswahl, um nur zwei große Änderungen der letzten Monate zu nennen. Auch die Neuerungen von tvOS 13 unterstreichen, dass das Apple TV längst nicht ausgedient hat. Mit dem eigenen Streaming-Dienst TV+ und dem Fokus auf HomeKit hat Apple genug Anreize, die Box voranzutreiben. Dass es bislang kaum spannende Apps für tvOS gibt, kann ich gut verschmerzen, die sind auf iPhone und iPad eh besser aufgehoben. Viel wichtiger: kein großer Streaming-Dienst fehlt mehr auf der Box. Und Apples junges Framework SwiftUI wird es Entwicklern einfacher machen, Bedienoberflächen für verschiedene Geräte auszulegen, auch davon dürfte tvOS in Zukunft profitieren. Unterm Strich sind es die kleinen Dinge, die das Apple TV für mich zur Erfolgsgeschichte machen: Das fängt beim in die Siri Remote geflüsterten Befehl zum Licht-Dimmen an und geht über die praktische Tonausgabe per AirPods bis hin zur flinken Eingabe von langen Passwörtern auf dem iPhone. All das möchte ich gegen keinen HDMI-Stick mit kruder Bedienoberfläche und auch kein Smart TV eintauschen, das meine Fernsehgewohnheiten heimlich an den Hersteller weitertratscht. ( lbe )