1 Wie Sie sich motivieren, einen Text zu schreiben
Herzlich willkommen – und direkt bitte ich Sie um etwas Geduld. Die ist dringend nötig, auch wenn am Ende eine rasante Story stehen soll. Wenn Sie sich an einen größeren Text wagen, rechnen Sie etwa die Hälfte der Zeit fürs Schreiben ein und jeweils ein Viertel, um Ihr Werk am Anfang ordentlich zu planen und am Ende gründlich zu kontrollieren. Denn bevor das erste Wort geschrieben ist, steht etwas viel Schwierigeres an, das Denken: Warum wollen Sie überhaupt einen Text schreiben? Das mag banal klingen, aber die Motivation für einen bestimmten Beitrag entscheidet darüber, was später passiert. Es gibt kein richtig oder falsch, nur ein gut oder schlecht überlegt: Wenn Sie ein Produkt (oder sich selbst) präsentieren oder verkaufen wollen, klingt der Text anders, als wenn Sie Mitstreiter für eine bestimmte Sache (eine Wahl, einen neuen Kegelverein) gewinnen wollen. Wenn Sie eine emotionale Geschichte wiedergeben, greifen ein paar andere Dynamiken, als wenn es darum geht, Fakten übersichtlich darzustellen. Der Werkzeugkasten, der aus den folgenden Tipps besteht, ähnelt sich: Mal greifen Sie zum Hammer, mal zum Bohrer und mal zur Feile.
Mehr Workshops zum Schreiben
Dieser Workshop fokussiert sich auf das journalistische Schreiben – es geht also darum, Geschichten aufzuschreiben, die tatsächlich so passiert sind. Hier und da gibt es Ähnlichkeiten zum Schreiben von Romanen. Wer in die Welt des fiktiven Schreibens tiefer eintauchen will, findet zwei weiterführende Workshops:
kurz & knapp
Bleiben Sie nicht bei der ersten Idee stehen: Je konkreter Sie Ihr Thema eingrenzen können, desto eher sticht Ihr Text später aus der Masse hervor.
Finden Sie das richtige Format: Jede Story verlangt die passende Verpackung – davon hängt ab, wie Sie Informationen und Eindrücke am besten sortieren.
Schreiben ist Handwerk: Mit starken Verben und wenig Substantiven machen Sie Ihren Text lebendiger.
Storytelling – was ist das überhaupt?
Seit einigen Jahren gilt Storytelling als eine wichtige Eigenschaft, um Menschen zu überzeugen. Dahinter steckt die Tausende Jahre alte Fähigkeit des Geschichtenerzählens. Wer es schafft, Leser mit dem geschriebenen Wort zu erreichen, kann seine Position darlegen, mit Argumenten überzeugen, neue Perspektiven eröffnen, Themen setzen, sich oder seine Produkte attraktiver darstellen. Eine aktuelle Studie der Beratung McKinsey sieht Storytelling sogar als wertvolles Talent für Führungskräfte – um ein Team zu erreichen und die Mitarbeiter zu motivieren. Die Bedeutung des Storytellings steigt. Denn in der Aufmerksamkeitsökonomie ist die Konkurrenz um gute Inhalte größer. Jeder Artikel konkurriert auch mit einem Podcast, jeder Blog-Beitrag mit einer Netflix-Serie, jeder LinkedIn-Post mit einem kurzen Schwatz mit dem Büronachbarn.
227 Minuten nutzen Menschen ab 14 Jahren in Deutschland jeden Tag das Internet. Davon verwenden sie 136 Minuten darauf, Medien zu konsumieren – und nur ein kleiner Teil davon entfällt auf Texte.
Quelle: ARD/ZDF-Onlinestudie 2021
2 Wie Sie Ihr Thema finden
Sie wissen schon genau, worüber Sie schreiben? Prima. Aber denken Sie ruhig noch einmal nach. Denn es gibt einen Unterschied zwischen einer Idee und einem konkreten Thema. In den allermeisten Fällen gilt: Je klarer Sie Ihr Thema abgrenzen, desto besser. Sonst besteht die Gefahr, dass Sie beim Schreiben die Richtung verlieren und in Allgemeinplätze abschweifen. Arbeiten Sie sich also vom großen Ganzen hin zu einem konkreten Thema. So wird aus „Ich will was zur Energiekrise schreiben“ ein „Diese fünf Punkte hat die Industrie in den vergangenen Jahren falsch gemacht“ oder ein „Wie Mieter ihren Energieverbrauch senken können“. Was ebenfalls hilft: Ein paarmal links und rechts gucken, was schon zu Ihrer Idee geschrieben wurde. Das hilft Ihnen zum einen, einen guten Überblick über den Stand der Debatte zu erhalten. Und zum anderen wissen Sie so, welche Herangehensweise noch fehlt. Versuchen Sie dann bei Themen, zu denen bereits viel geschrieben wurde, eine Art Alleinstellungsmerkmal für Ihren Text zu finden – das kann zum Beispiel ein neuer Gedanke oder eine ungewöhnliche Perspektive sein.
Fünf Methoden zur Themensuche
Im Idealfall kommen Sie mit ein paar Minuten Nachdenken von der Idee zum Thema. Wenn es hakt: Diese Methoden können helfen, sich systematisch Themen zu erarbeiten – erlaubt ist aber jeder Weg hin zu einem guten Geistesblitz.
„Runterbrechen“ : Ein globales Thema wird auf die eigene „Bubble“ bezogen. Das kann regional funktionieren – welche Auswirkungen haben die US-Wahlen auf Land/Landkreis/Dorf? Oder funktional – welche Folgen hat der Amtsantritt von Joe Biden für die Branche der Architekten/die Hochschullandschaft/den Bundesverband Wärmepumpe?
Nebensächlichkeiten : Wenn ein bestimmtes Thema gerade besonders populär ist, kann es kompliziert sein, einen eigenen Zugang zu finden. Manchmal hilft es, ganz bewusst mit der Taschenlampe an die Themenränder zu leuchten. Wenn alle über Wärmepumpen reden, besuchen Sie doch mal den letzten Kohlehändler der Stadt. Und wenn Ihr Lieblingsverein aufsteigt – wie freut sich darüber der kleine Fanclub in einem fernen Land?
Veränderungen : Gute Texte leben davon, dass etwas passiert ist, passiert oder passieren wird. Klopfen Sie also das Überthema genau ab und schauen Sie, wo – und für wen – sich etwas verändert. Je mehr Bewegung drinsteckt, desto interessanter ist es wahrscheinlich. Wenn die Playstation 5 immer noch Lieferschwierigkeiten hat – welche (vielleicht unbekanntere) Gaming-Konsole konnte besonders profitieren? Oder warum boomen gerade eigentlich die Brettspiele?
Personalisieren : Menschen lesen gerne von anderen Menschen. Versuchen Sie also, Persönlichkeiten zu identifizieren, die einen Bezug zu Ihrer Themenidee haben. Schauen Sie sich um, lesen Sie quer: Vielleicht finden Sie den einen Nachbarn, der deutschlandweit die meisten Wikipedia-Einträge verfasst hat. Oder den einen Deutschen, der schon seit 40 Jahren in Katar lebt und jetzt die Fußball-WM mitorganisiert.
Anregungen von außen: Es klingt vielleicht zu einfach. Aber häufig besteht die Gefahr, dass man im Alltag nicht mehr über den (Themen-)Tellerrand guckt – und nur darauf schaut, was in seiner eigenen Welt passiert. Schon ein Gespräch mit (branchenfremden) Freunden kann helfen, auf ganz neue Gedanken zu kommen. Ansonsten schauen Sie sich so breit wie möglich um: Wenn Sie eigentlich nur die „FAZ“ lesen, kaufen Sie sich eine „Bild“-Zeitung. Fragen Sie Ihren Friseur mal, was ihn gerade beschäftigt. Oder schauen Sie sich in Internetforen um, in die Sie sonst niemals gucken würden. Das Forum Reddit.com ist ein guter Indikator für Trends, die in ein paar Wochen in der deutschen Gesellschaft ankommen.
Globales Thema, lokaler Blickwinkel: So erhält auch ein vielleicht erst einmal abstraktes Thema einen konkreten Bezug zur Lebensrealität der Leser.
Keine Angst vorm weißen Blatt Papier: Mit einer systematischen Suche lassen sich Themen generieren.
Bild: fotografierende/Pixabay
3 Nachrichtenfaktoren abklopfen
Eine Regel, die bei allen Texten gilt: Versuchen Sie, etwas Abstand zu Ihrem Thema zu bekommen. Klingt widersinnig? Ist es aber nicht: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie von dem, was Sie schreiben wollen, ehrlich begeistert sind. Aber es ist wichtig, vor dem Schreiben ein paar Schritte zurückzutreten. Denn es geht in einem guten Text niemals um Sie – sondern immer um Ihre Leser. Die müssen begeistert und überzeugt werden.
Diese Aufgabe beginnt bei der Themenauswahl (siehe Kasten „Fünf Methoden zur Themensuche“ auf S. 46). Manchmal wissen Sie schon genau, worüber Sie schreiben wollen. Dann wird es Fälle geben, in denen Sie sich ein konkretes Thema erst suchen. In jedem Fall hilft ein Kontrollblick auf die sogenannten Nachrichtenfaktoren: Das sind Elemente, die Ihr Thema spannender machen. Ein paar haben sich über die Jahrzehnte und Jahrhunderte bewährt, weil sie sehr ursprüngliche Bedürfnisse von Menschen adressieren. Sie funktionieren bei den 280 Zeichen eines Tweets genauso wie bei einem 500-seitigen Sachbuch.