Mac & i 1/2023
S. 3
Editorial

Zu viele Baustellen

Leonhard Becker
Leonhard Becker

Leonhard Becker

Bei Apple knirscht es an immer mehr Stellen: Das fängt beim teuren Studio Display mit der enttäuschenden Webcam an und reicht über den grotesken Pencil-Ladeadapter fürs iPad 10 bis hin zum Basismodell des neuen Apple TV, bei dem das für HomeKit wichtige Thread-Funkmodul eingespart wurde. Selbst die aktuelle iPhone-Generation machte ungewohnt kleine Schritte, das Basismodell muss erstmals mit dem Vorjahres-Chip auskommen. (Immerhin ist die coole Satellitentechnik bei allen mit an Bord, siehe Seite 8.)

Für all das gibt es unterschiedliche Gründe, nicht zuletzt die massiven Störungen in der Lieferkette. Fraglos reibt sich Apple aber auch zwischen einer wachsenden Zahl an Projekten auf. So werden weniger wichtige Produktreihen nicht mehr zu Ende gedacht oder fallen leise unter den Tisch. Liegt die Gerüchteküche richtig, bindet Apples derzeit entstehendes Mixed-Reality-Headset intern massiv Ressourcen, die so zwangsläufig an anderen Stellen fehlen. Das schlägt sich auch auf die Software durch: Selbst Monate nach der Veröffentlichung schmälern noch immer unbeseitigte Bugs in macOS und iOS bei so manchem die Freude am Gerät. Richtig ärgerlich wird es mit groben Schnitzern wie dem zurückgezogenen Update der HomeKit-Architektur, das Nutzer buchstäblich aus ihrem vernetzten Zuhause aussperrte. Und alte Geräte fallen früher aus der Software-Abdeckung, wie zuletzt mit macOS Ventura. (Wie Sie ältere Macs dennoch weiternutzen, lesen Sie auf Seite 60.)

Zu den vielen Baustellen trägt die Erwartungshaltung der Kunden bei: Wir wollen schließlich spektakuläre iPhones im Jahrestakt, riesige Leistungssprünge bei Apple Silicon und immer neue Funktionen. Und wo bleibt eigentlich die ganz neue Apple-Hardware, die wieder die Welt verändert?

Dem zum Trotz täte ein Tritt auf die Bremse gut, macOS und iOS brauchen nicht alljährlich eine Flut an neuen Funktionen. Sie erinnern sich vielleicht noch an Mac OS X Snow Leopard, ein Update mit „0 neuen Funktionen“, wie Apple damals groß betonte. Stattdessen räumte der Hersteller konsequent Bugs aus und stellte den Unterbau des Systems auf stabilere Beine. Das wäre langsam wirklich mal wieder fällig.

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