Make Magazin 3/2016
S. 10
Lieblingswerkzeug

Scheckkarte

Es ist nicht so, wie Sie jetzt vielleicht denken: Wie man nur mit einer Scheckkarte bewaffnet in ein Haus einbricht – den Trick habe ich noch nie verstanden. Trotzdem hebe ich jede ausgediente Plastikkarte auf – sei es der Presseausweis vom letzten Jahr, die abgelaufene BahnCard, der Mitgliedsausweis einer Videothek in einer Stadt, in der ich längst nicht mehr wohne, oder eben der Klassiker, die ungültige Scheckkarte. Denn alle diese Plastikkarten haben noch eine Zukunft als Ad-hoc-Werkzeug vor sich.

Ihre 45 Quadratzentimeter glatte Oberfläche pro Seite eignet sich zum Beispiel als Palette zum Mischen von Zweikomponentenkleber, vor allem bei Exemplaren ohne Magnetstreifen und Hologramm. Die zähe Elastizität des rund ein dreiviertel Millimeter starken Kunststoffs macht aus den Plastikkarten einen hervorragenden Spachtel, mit dem man etwa Klebefolien schonend, aber mit Nachdruck anpressen oder Kunststoffgehäuse pfleglich aufhebeln kann. Bei Bedarf lässt sich die Kante auch noch verfeinern oder schärfen, indem man sie schräg gestellt über Sandpapier zieht. Ein so präparierter Presseausweis von 2012 ersetzte zum Beispiel seinerzeit im c’t-Hacks-Labor über Monate das verschollene Zubehörteil des 3D-Druckers MakerBot Replicator, mit dem man das Kaptonband blasenfrei auf die Druckplattform bringen sollte.

Ihr volles Potenzial entfaltet die Plastikkarte aber, wenn man sie in die gerade benötigte Form schneidet, wozu Seitenschneider und Cutter ausreichen. Mit ein paar gezielten Schnitten entsteht so ein Haltewerkzeug für kleine Muttern, das sich zudem in 1-Millimeter-Spalten schieben lässt. Die Scheckkarte ist auch der Werkzeug-Rohling der Wahl, um die neue Raspberry-Pi-Kamera scharf zu stellen (siehe Seite 58). Und mein Vater benutzte in den 80er Jahren eine der damals noch seltenen Karten, um seinen Barographen fürs Segelflugzeug zu markieren: Er schnitt die Buchstaben des Kennzeichens als Negativform aus der Karte heraus und benutzte diese dann als Sprühschablone. Das hat sich mir eingeprägt und so werfe ich keine ausgediente Plastikkarte weg, die die heutige Kartenvernarrte Welt mir beschert, sondern sammle sie und halte sie stets griffbereit. pek