Make Magazin 3/2016
S. 94
Baubericht
Aufmacherbild

Dokumentenscanner

Dokumentenscanner sind eher unbekannte Wesen. Man könnte meinen, Geräte, die nicht vermisst werden, werden auch nicht benötigt. Sind jedoch die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten eines Dokumentenscanners erst einmal entdeckt worden, fragt man sich, wie man zuvor ohne ein derartiges Gerät auskam.

Ein Dokumentenscanner ist im Studio die „Dritte Hand“ der digitalen Live-Fotografie und des Filmens. Alles, was vor die Linse kommt, sei es Bücher, Grafiken, Versuchsaufbauten, Redner, Menschengruppen, wird im Livestream abgebildet und sofort auf einem Anzeigegerät (Monitor, Beamer) ausgegeben. Weil es um die Abbildung unterschiedlichster Objekte geht, wird der Dokumentenscanner auch als Objektscanner bezeichnet.

Knut statt Whiteboard

Die Idee für den Objektscanner kam mir vor mehr als 15 Jahren, als ich noch Lehrer war. Digitale Medien fanden immer stärkeren Einzug in das Klassenzimmer. Allerdings steckten die technischen Voraussetzungen, diese auch zu nutzen, noch in den Kinderschuhen. Whiteboards gab es noch nicht. Der Einsatz der digitalen Medien fand in wenigen speziellen Räumen statt. Für diese Medienräume gab es lange Anmeldelisten.

DIN-A3-Vorlage mit Ausschnitten, die bei einer Kamerafahrt an die Vorlage herangeschossen wurden. Durch diesen mechanischen Zoom kann die Vergrößerung unmittelbar auf einem Ausgabegerät (Monitor, Beamer) präsentiert werden. Alle drei Bilder haben die identische Breite in Pixeln. BIld: Philipp von Ditfurth/HAZ

Um diesem Engpass zu entfliehen, baute ich mir ein mobiles Medienzentrum auf eigene Faust, ausgestattet mit Computer, DVD-Player, Mischpult für vier Mikrofone, Drucker – und eben einem Dokumentenscanner. Als Ausgabegerät diente ein Röhrenfernseher, denn Flachbildschirme waren noch unbekannt. Dieser Wagen, den ich Stunde für Stunde als Arbeitsgerät von Klassenraum zu Klassenraum schob, war mein ständiger Begleiter, den meine Schüler liebevoll „Knut“ tauften. Der Objektscanner ersetzt ein Episkop, den Overheadprojektor, die Wandtafel, Power-Point-Präsentationen, um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Und all dies ist mit einem relativ einfachen und kostengünstigen Gerät möglich – letzteres jedenfalls dann, wenn man es selber baut.

Der Objektscanner nimmt Objekte nicht nur von oben auf – mit geschwenkter Kamera liefert er auch Seitenansichten. In den drei Abbildungen ist ein mit einfachsten Mitteln durchgeführtes Experiment zum Thema „Warum schwimmen Schiffe?“ dargestellt. Das Experiment lässt sich über eine Projektion auch von einer ganzen Schulklasse live verfolgen.

Das Episkop zum Beispiel wird der schlechten Lichtausbeute wegen seit Jahrzehnten nicht mehr eingesetzt, dabei ist es äußerst praktisch. Die Seite eines Buches wird in das Gerät eingeklemmt und eine Projektion davon wird in Echtzeit an die Wand geworfen. Dies leistet der Objektscanner ebenfalls, nur mit geringerem technischem Aufwand und mit besserer Bildqualität bei normalen Zimmerlichtverhältnissen. Im Gegensatz zum Episkop ist der Objektscanner offen gebaut. Der Vortragende kann so mit einem Stift auf wichtige Passagen im Text verweisen, kann sie sogar live farblich markieren oder kommentieren. Kleinere Textpassagen, Bilder oder Grafiken können vergrößert und damit die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft auf zentrale Punkte gelenkt werden.

Als ich mich vor mehr als 15 Jahren für einen Objektscanner interessierte, kosteten professionelle Geräte zwischen 600 und 800 Euro. Ich baute mir deshalb meinen eigenen, was deutlich preiswerter war. Eine Web-Kamera Logitech Pro 9000 besaß ich. Die weiteren Materialkosten beliefen sich auf rund 15 Euro. Das waren die Grundlagen für die Light-Version meines ersten Objektscanners, der auf den Bildern unten zu sehen ist.

Objektscanner I – Light-Version

Das Gerät besteht aus wenigen Bauteilen: Einer Grundplatte, auf die die Vorlagen ausgebreitet werden, einem Galgen einschließlich einer Klemmvorrichtung für die Kamera und eben der Kamera.

Der Kameraarm ist bei der Light-Version des Objektscanners als Parallelogramm ausgeführt. Die Verschraubungen sind stramm. Der Kameraarm wird mechanisch von Hand betätigt und bleibt dank der Klemmung in jeder gewünschten Position stehen. Die Kamera beschreibt allerdings während ihrer Bewegung einen Bogen.

Der Objektscanner wurde um die Webkamera herumgebaut. Die Pro 9000 hat eine Befestigungszunge, für die ich eine einfache Schlitzhalterung anfertigte. Die Zunge lässt sich leicht in den Schlitz hineinschieben und ebenso einfach wieder entfernen. Zur Kamera gehört eine Software, über die man verschiedene Kamera-Parameter einstellt. Für den Objektscanner ist die Autofokus-Funktion wichtig: Die Aufnahme wird je nach der Distanz zwischen Kamera und Objektiv automatisch scharf gestellt. Über den Kameraarm lässt sich die Distanz stufenlos variieren. Als Parallelogramm ausgebildet, hält er die Kamera in jeder Position waagerecht, bei der senkrechten Kamerafahrt wird an die Vorlage heran- oder weggezoomt.

Größe der Grundplatte und Höhe des Kameragalgens sind von der aufzunehmenden Vorlage abhängig. Ich habe das Gerät für DIN-A3-Blätter konzipiert. Die Grundplatte ist somit 35 cm × 45 cm groß, der Galgenbaum aus 40 mm × 40 mm starker gehobelter Leiste ist 26 cm hoch, darauf ist ein 15,5 cm langer Querholm geschraubt. Der Abstand zwischen Querholm und Kameramitte beträgt 24 cm.

Der Galgenbaum steht in der linken hinteren Ecke der Grundplatte, damit die Vorlage sich nach links und rechts oder nach oben und unten am Galgenbaum vorbeischieben lässt.

Die erste Version des Objektscanners ist ein Leichtgewicht und kommt ohne zusätzliche Stromversorgung aus. Das Gerät ist deshalb sehr flexibel einzusetzen. Bei meinen Bastelarbeiten benutze ich es als Arbeitsplatzwerkzeug, um zum Beispiel Beschriftungen an äußerst kleinen Bauteilen zu entziffern, als Lötlupe und um die Qualität von Lötstellen zu überprüfen.

Die Parallelogrammaufhängung der Kamera, so einfach sie baulich konzipiert ist, hat den geometrischen Nachteil, dass beim Hoch- und Runterfahren die Kamera einen Kreisbogen beschreibt. Die Blickachse der Kamera wandert somit entweder nach links oder nach rechts. Dies muss dadurch ausgeglichen werden, dass die Vorlage entsprechend auf der Unterlage seitlich verschoben wird.

Das störte mich allerdings zunehmend bei den Objektfotografien, die ich beispielsweise anfertige, um meine Bastelarbeiten zu dokumentieren. Um diesen Nachteil des ansonsten gut funktionierenden Modells abzustellen, habe ich den Objektscanner weiterentwickelt. Entstanden ist dabei ein grundsätzlich neues Gerät mit zusätzlichen Finessen.

Objektscanner II – Vollversion

Auch dieses Gerät ist für DIN-A3-Vorlagen vorgesehen. Allerdings wird hierbei der gesamte Kameraarm in einer Laufschiene lotrecht auf- und abgefahren. Antrieb und Ansteuerungselektronik sind in einer Säule untergebracht, die deshalb raumgreifender ausgefallen ist. Somit ist die Grundplatte auf 50 cm × 40 cm angewachsen.

Der Kameraarm aus Holz, hier in seine beiden Einzelteile zerlegt.

Die Laufschienen könnten aus Bauteilen konstruiert sein, wie sie für den Linearantrieb einer CNC-Fräse verwendet werden. Dann wäre eine beliebige Länge möglich und der Scanner könnte für noch größere Formate (etwa DIN A2) verwendet werden. Dies wäre jedoch ein kostspieliges Projekt und würde auch eine höherwertige Kamera erfordern (mehr zum Thema Kameras siehe Kasten am Ende dieses Artikels).

Ich suchte nach preiswerten Alternativen und fand sie in einem ausrangierten Nadeldrucker. Bis auf die für mein Unterfangen notwendigen Teile demontierte ich das Gerät.

Bei der Vollversion des Objektscanners lässt sich der Kameraarm mit einem Schlitten hoch- und runterfahren. Der Motorantrieb wird mittels der beiden übereinander angeordneten Drucktaster an der Säule betätigt. Mit den beiden waagerechten Druckschaltern schaltet man die beiden externen Leuchten an oder aus (nicht im Bild zu sehen).

Bei meinem alten Drucker hat die Führungsschiene für den ursprünglichen Druckkopf eine Lauflänge von 25 cm. Dieser Beschränkung entspringt die eigenwillige Form des Gerätes: In die oberste Position gefahren, sollte die Kamera das DIN A3-Blatt vollständig erfassen. Dies entspricht bei der Optik der Pro 9000 einer lichten Weite von 34 cm zwischen Kamera und Kopiervorlage. Gleichzeitig sollte das Gerät aber nicht zu klobig wirken.

Angetrieben wird der Schlitten von einem 5-V-Getriebemotor. Die Kraftübertragung erfolgt über den ursprünglichen Zahnriemen des Druckers. Die entsprechende Riemenscheibe habe ich einem anderen Motor abgezogen. In der Regel passt die Bohrung der Riemenscheibe zu dem neuen Motor nicht. Ist sie zu eng, muss nachgebohrt werden. Dabei sollte die neue Bohrung etwa 0,5 mm enger sein als der neue Achsdurchmesser. Im Schraubstock kann die neue Riemenscheibe dann auf die Motorachse gepresst werden. Dies funktioniert aber nur, wenn das Material der neuen Riemenscheibe eine gewisse Elastizität aufweist (etwa Polyamid), sprödes Material dagegen platzt.

Erreicht der Laufschlitten das jeweilige Ende der Laufschienen, so wird die Schlittenfahrt durch Drucktaster beendet. In die eine Richtung geht jetzt nichts mehr, der Schlitten kann nur in die entgegengesetzte Richtung wieder Fahrt aufnehmen. Die Umstellung der Motorlaufrichtung geschieht durch einen sogenannten Vierquadrantensteller, den ich aus dem Bausatz einer käuflichen Relaiskarte konstruierte. Im Schaltplan ist die Relais-Ansteuerung vereinfacht dargestellt.

Der Kameraarm aus Holz ist dreigeteilt. Der Schuh ist Maßarbeit. Er ist passend für die Halterung des Laufschlittens aus dem alten Drucker angefertigt worden. Der Kameralängsholm ist aus 10 mm × 20 mm starken Buchenleisten gebaut. In den Schlitz passt der Kameraquerholm, an dessen Ende eine 2 mm starke Sperrholzzunge aufgeklebt ist, an die die Kamera mit zwei längeren M2-Schrauben befestigt wird. Nachdem die Kamera justiert worden ist, werden Längs- und Querholm miteinander verleimt und die Leimung mit Abschnitten von einer Dreiecksleiste verstärkt.

Schaltplan des Scanners. Stellt ein passendes Netzteil am Ausgang Gleichstrom bereit, so erübrigen sich die Gleichrichter. Der Festspannungsregler für die Beleuchtung ist zwingend mit einem großen Kühlkörper zu versehen. Die Drucktaster S3 und S4 sind im Ruhezustand geschlossen, erst der Kameraschlitten öffnet sie, wenn er bis zum Anschlag gefahren wird.

Bleibt die Stromversorgung: In fast jedem Elektrogerät, das mit Niederspannung arbeitet, befindet sich ein Netzteil, das die Netzspannung heruntertransformiert. Die Leistungen der Netzteile unterscheiden sich erheblich voneinander, je nachdem, welche Anforderungen das nachgeschaltete Gerät an die Stromversorgung stellt. Geräte mit höherer Ausgangsleistung sind in der Regel schwerer als die mit niedrigeren Anforderungen. Meinen Objektscanner wollte ich möglichst leicht halten. Andererseits sollte das Netzteil die Elektronik, den Motor und zwei Strahler für die „Bühnenbeleuchtung“ ausreichend mit Energie versorgen. Die Strahler stellten dabei die härteste Nuss dar. Um die Leistungsanforderungen der Beleuchtung gering zu halten, habe ich passende Halogenstrahler mit LED-Leuchtmitteln umgerüstet. Wie das geht, beschreibt ein eigener Online-Artikel, zu finden über den Link am Ende dieses Artikels.

In meiner Bastelkiste fand ich ein Netzteil mit rund 20 Watt Ausgangsleistung. Allerdings stellte das Gerät nur 16 Volt Wechselspannung bereit. Mit zwei Spannungsreglern und vorgeschalteten Gleichrichtern schuf ich die gewünschten Gleichspannungsquellen, 5 Volt für die Elektronik und den Motor, 12 Volt für die Beleuchtung.

In diesem Scanner habe ich statt der älteren Webcam Pro 9000 die neuere Logitech-Webcam C 910 eingesetzt. Mit etwas längeren M2-Schrauben lässt sich diese Kamera problemlos am Kameraarm befestigen.

Software

Hauptmenü für die Ansteuerung der Kamera in der Logitech-Software. Für gute Aufnahmen sollte man von den Standardvorgaben auf eine höhere Auflösung umschalten.

Mit dem Treiber für die Logitech C910 wird eine Steuerungssoftware für die Kamera mit installiert (lws 251, abwärtskompatibel auch für die Pro 9000). Für Webcams anderer Hersteller wird es in der Regel ähnliche Software-Pakete geben. Die wichtigste Funktion hierbei ist der Autofokus, also die selbsttätige Scharfstellung der Aufnahme. Diese Funktion ist deshalb so wichtig, weil die Kamera des Dokumentenscanners hoch- und runtergefahren werden kann (mechanischer Zoom). Die Kamera stellt den sich kontinuierlich verändernden Bildausschnitt automatisch scharf. Der Autofokus lässt sich auch abstellen, dann kann man die Schärfe manuell einstellen.

Über das Menü „Erweiterte Einstellungen“ beeinflusst man die Qualität der Aufnahme. Die Funktionen kennt man von Digitalkameras.

Mit den Knöpfen „Standard“ und „Breitbild“ wechselt man zwischen den Anzeigeformaten 4:3 oder 16:9. Im dazugehörigen Pull-Down-Menü wird die Auflösung ausgesucht. Allerdings sollte man sich nicht täuschen lassen: Die mit einem Sternchen versehenen Auflösungen sind interpolierte Werte. Auf dieser Seite lassen sich von dem angezeigten Motiv entweder Fotos schießen oder eine Live-Videosequenz aufnehmen. Für die Foto- oder Videoaufnahmen sollten die höchsten Auflösungen gewählt werden.

Über den Button „Erweiterte Einstellungen“ gelangt man zu einer Reihe von Auswahlknöpfen, mit denen sich die Bildqualität verändern lässt. Die Funktionen entsprechen denen vieler Digitalkameras. Voreingestellt sind viele Automatikfunktionen. Ehe man diese abstellt und versucht, die Bildqualität manuell zu verbessern, sollte zunächst versucht werden, die abzubildenden Objekte durch lichttechnische Maßnahmen ins rechte Licht zu setzen – Tipps dazu gibt wiederum der bereits erwähnte Online-Artikel.

Auf eine Schwäche des Logitech-Programms sei abschließend noch verwiesen: Leider lassen sich die Bilder nur in einem kleinen Videofenster anschauen, eine Vollbild-Ansicht ist nicht möglich. Einige Software-Alternativen führt der Kasten unten auf.

Fazit

Der Objektscanner ist ein überraschend vielseitiges Gerät, dessen Möglichkeiten sich erst im Alltag dem Nutzer erschließen. Er ist sowohl ein Arbeitsplatzwerkzeug für den privaten Gebrauch als auch ein Gerät für den öffentlichen Auftritt. Es stellt flache Schrift- und Bilddokumente ebenso dar wie räumliche Objekte. Dabei kann man Experimente mit kleinen Objekten durch Vergrößerung auf eine Leinwand mittels Beamer einem breiten Publikum live zugänglich machen. Oder man dokumentiert einfach, was der Kamera unter die Linse gerät, und verbreitet es als Foto oder Video. Kombiniert mit entsprechender Beleuchtung stellt der Objektscanner ein überschaubares Studio für die digitale Fotografie dar – ideal auch zur Dokumentation der eigenen Bastelprojekte. pek