Plastic Souls – ein Klang-Kunstwerk
Strände auf der ganzen Welt sind unter Plastikmüll begraben. Das hat den Klangkünstler und Autor dieses Artikels dazu veranlasst, Plastic Souls zu kreieren: ein schwimmendes Musikinstrument, das vollständig aus Kunststoffabfällen von Stränden besteht. Die Wellen des Meeres fungieren als Musiker. Diese Anleitung zeigt, wie man sich seine eigene Upcycling-Wellenorgel aus am Strand angespültem Plastikmüll baut und wie man einen dafür benötigten Plastikflaschen-Schneider und Orgelpfeifen aus PVC-Rohr herstellt.
von Geert-Jan Hobijn
Kurzinfo
Darum geht’s
» Strandgut in Kunst verwandeln
» Pfeifenbau aus PVC-Rohr
» Stabile Schnur aus Plastikflaschen herstellen
Checkliste
Zeitaufwand:
1 Wochenende
Kosten:
etwa 20 Euro für den Flaschenschneider
Metallbearbeitung:
leichte Sägearbeiten
Maschinen:
Bohrmaschine
Feinwerkzeug:
Cutter-Messer, Säge (für Metall und Holz), Heißklebepistole, Schraubstock, Fön, kleine Feile, Zange
Material
» Plastikmüll (Flaschen)
» PVC-Rohre mit unterschiedlichem Durchmesser
Material für den Schneider
» 1 Aluminium-U-Profil mindestens 25 cm lang, etwa 23,5 mm × 23,5 mm, etwa 1,5 mm stark
» 1 Abbrechklingen-Ersatzklinge 18 mm breit
» 1 M4 Gewindestange mindestens 30 cm lang
» 4 M4 Mutter
» 1 Dünnwandiger Schrumpfschlauch Durchmesser vor/nach Schrumpfung: 6 mm/2 mm
» 1 Kantholz Buche 30 mm × etwa 22 mm × 22 mm – das Kantholz sollte mit maximal 0,5 mm Spiel in das Alu-Profil passen oder gerade so nicht passen
Video
Video: Wir haben zur Probe eine Orgelpfeife in der Redaktion nachgebaut und im Brunnen getestet, der sich praktischerweise im Atrium des Verlagsgebäudes befindet.
make-magazin.de/x53b
Die Idee von Plastic Souls ist es, Menschen auf der ganzen Welt zu motivieren, diese Instrumente zu bauen und sich so daran zu erinnern, wie viele Kunststoff-Abfälle sich an den Stränden und in den Meeren und Ozeanen befinden.
Ein mäßig mit Müll bestückter Strand
Das Instrument wird als schwimmende Insel konstruiert, die mit Stöcken zusammengehalten wird. Als Schwimmkörper kommen große dickwandige Flaschen oder Kanister zum Einsatz. Die Wellen des Meeres oder eines Flusses treiben Wasser in bodenlose Flaschen, wodurch die Luft im Flaschenbauch in die Orgelpfeifen geblasen wird.Um alles zusammenzuhalten, werden aus Plastikflaschen hergestellte Schnüre verwendet. Das Rohmaterial kann man an verschmutzten Stränden finden. In eher kontinentaleren Gegenden stößt man auf Plastikflaschen und vielerlei brauchbaren Müll vor allem an Straßenrändern. Alternativ lassen sich die benötigten Materialien auch vom Hausmüll abzweigen.
Plastikflaschenschneider
Ein selbstgebautes Schneidwerkzeug vereinfacht das Schneiden der Schnüre. Auch die Qualität der mit dem Werkzeug geschnittenen Schnüre ist deutlich besser, als wenn man die Flaschen von Hand mit einem Messer bearbeitet. Das Material für das Schneidewerkzeug ist in Baumärkten erhältlich. Je nach Dicke der Schnur und Flaschengröße erhält man auch erstaunlich viele laufende Meter aus einer Flasche.
1 Kantholz und Alumiumprofil zuschneiden
Das Alumin iumprofil muss mit einer Metallsäge auf 25 cm Länge gesägt werden. Das Kantholz schneidet man auf etwa 8 bis 9 cm zu.
2 Loch durch das Aluminiumprofil bohren
Mit einem 5 -mm-Bohrer bohrt man nun ein Loch durch die beiden Seiten des Aluminiumprofils, so wie es im Bild dargestellt ist. Vor dem Bohren sollten die Markierungen angekörnt werden, zum Beispiel mit einem mittig auf die Markierung platzierten Nagel, den man mit einem Hammer leicht einschlägt.
3 Einschnitte
Mit der Metallsä ge versieht man das Profil und das Kantholz mit vier Einschnitten. Dazu klemmt man das Kantholz am besten in das Aluminiumprofil ein, damit die Schnitte genau passen. Die Einschnitte dienen dazu, verschieden breite Schnüre aus den Flaschen zu schneiden. Man kann auch weitere Einschnitte hinzufügen und eigene Maße verwenden, je nachdem, welche Schnurbreiten man erreichen möchte. Anschließend sollte man die Einschnitte noch etwas entgraten, am besten mit Hilfe einer Feile.
4 Kantholzschnitte vergrößern
Die Einschnitte im K antholz müssen nun noch vergrößert werden (in der Abbildung: oben – vorher, unten – nachher). Dazu nimmt man das Holz wieder aus dem Aluprofil heraus. Falls Sie im Baumarkt kein passendes Kantholz finden, kaufen Sie es eine Nummer zu groß und feilen es dann zurecht, sodass es leicht keilförmig wird. Das hat zusätzlich den Vorteil, dass es besser im Aluprofil hält.
5 Gewindestange kürzen und Klinge einsetzen
Die M4-Gewindestange muss auf circa 30 cm gekürzt werden. Danach werden die Enden m it einer Feile etwas entgratet, damit das Gewinde gängig wird. Es ist hilfreich, vor dem Entgraten eine Mutter auf das Gewinde zu schrauben. Danach schraubt man die Mutter einfach ab und entfernt damit eventuell übrig gebliebene Schneidkanten.
Nun wird eine Cutter-Abbrechklinge mit der scharfen Kante zur Wandseite positioniert und die M4-Gewindestange durch das Loch in der Klinge und die mittleren Bohrungen im Aluminiumprofil geführt. Die Gewindestange wird beidseitig mit je zwei M4-Muttern befestigt.
6 Gewindestange isolieren
Die Gewindestange kann noch mit einem Schrumpfschlauch isoliert beziehung sweise geglättet und ganz leicht nach oben und nach hinten gebogen werden. Das erleichtert das Einfädeln des Flaschenrands und verbessert den Schneidevorgang.
7 Kantholz einsetzen
Das lose Ende der Klinge wird mit dem Kantholz festgeklemmt, sodass es die Klinge andrückt.
8 Gewindestange biegen
Die Gewindestange muss n och leicht nach oben gebogen werden.
Schnüre schneiden
Aus wenigen Flaschen kann man einige Meter Schnüre gewinnen.
Nachdem das Werkzeug her gestellt wurde, können die Schnüre aus den Plastikflaschen geschnitten werden. Doch bevor es losgehen kann, müssen noch geeignete Flaschen gesammelt werden.
1 Baumaterial sammeln und sortieren
Suchen Sie zu erst Baumaterial am Strand oder am Straßenrand. Dann sortieren Sie den Müll: Nur ganze Flaschen und Kanister können verwendet werden. Teilen Sie die verbliebenen Flaschen in zwei Gruppen ein: dickwandig und dünnwandig. Dickwandige Flaschen sollten verwendet werden, um die Orgelpfeifen herzustellen, weil sie einfacher zu montieren sind. Dünnwandige Flaschen können Sie verwenden, um daraus Schnüre zu schneiden, mit denen das Gestell und die Orgelpfeifen zusammengehalten werden.
2 Plastikflaschen glätten
Wenn die Flaschen keine glatten Wänd e haben, sondern die üblichen Riffelungen oder Verschlankungen aufweisen, kann man sie glätten, damit sie sich besser schneiden lassen. Dazu hält man die Flasche mit geschlossenem Deckel über eine heiße Herdplatte und dreht sie langsam und kontinuierlich – vorher muss das Etikett entfernt werden. Dadurch wird einerseits das Plastik weich und schrumpft, andererseits dehnt sich die Luft im Inneren der Flasche aus, sodass die Riffelungen ausgebeult werden und die Flasche glattwandig wird.
Ein besseres Resultat erreicht man, wenn man den Innendruck zuerst erhöht, indem man ein Fahrradventil in den Deckel montiert und die Flasche mit einer Fahrradpumpe aufpumpt. Der Aufwand lohnt sich, wenn man sich einen Deckel aussucht, der auf mehrere Flaschen passt.
3 Flaschen zum Schneiden vorbereiten
Bevor das Schneidewe rkzeug zum Einsatz kommen kann, muss von der Flasche der Boden abgeschnitten werden. Bei den ersten Versuchen ist es hilfreich, wenn man die ersten 3 cm Schnur von der Flasche mit einer Schere anschneidet, sodass das Schnurende noch an der Flasche hängt.
4 Flaschen schneiden
Der Flaschensche ider muss in aufrechter Position so in einen Schraubstock eingespannt werden, dass die scharfe Kante der Klinge vom Benutzer weg nach hinten zeigt. Nun stülpt man die Flasche über die Gewindestange und drückt den Rand in einen der Sägeschlitze, sodass sich ein erster Span abhebt und durch den Schlitz schiebt. Wenn man schon ein paar Zentimeter Schnur mit einer Schere vorbereitend angeschnitten hat, fädelt man das Schnurende in einen der Sägeschlitze.
Mit einer Zange greift man das Schnurende, das man durch den Schlitz geschoben hat, und zieht auf etwa 15 cm Länge weiter. Danach kann man mit der Hand weiter ziehen.
Der Faden darf nicht genau parallel, sondern muss in einem leichten Winkel zur Ebene des Aluprofil-Schenkels gezogen werden, weil er dann weniger leicht abreißt. Auch sollte man zunächst langsam und gleichmäßig ziehen, bis man den richtigen Dreh heraus hat. Anfänglich kann man schon drei oder vier Anläufe benötigen, bis man ein Gefühl für das richtige Ziehen entwickelt hat.
Bau der PVC-Orgelpfeifen
Die Orgelpfeifen werden aus PVC-Rohren angefertigt. Damit die Bearbeitung leichter geht, sollte man möglichst dünnwandige Rohre benutzen.
1 Rohrstücke schneiden
Schneiden Sie zuerst zwei k urze (etwa 3 cm und 6 cm) und ein langes Stück (etwa 30 cm). Bei den ersten Versuchen sollte man Rohre mit etwa 20 bis 30 mm Durchmesser verwenden und die Pfeifen nicht länger als 30 cm bauen. Schneiden Sie von allen Stücken am besten mehrere, damit Sie für die nächsten Schritte Ersatzteile haben, falls ein Schnitt versehentlich danebengeht. Bringen Sie die Schnittmarkierungen an.
Tiefere Töne erreicht man mit längeren Rohren. Je tiefer der Ton ist, umso leiser wird er und umso genauer muss der Anblasdruck sein. Bei einem zu hohen Druck wird die Pfeife überblasen und der Ton springt eine Oktave höher, oder es stellt sich überhaupt keine Schwingung ein. Für tiefere Töne sollte man Rohre mit größerem Durchmesser benutzen, weil diese aufgrund des höheren benötigten Luftdrucks nicht so leicht überblasen.
2 Loch bohren
Bohren Sie ein etwa 9 mm großes Loch in die Seite des 6-cm-Rohrstücks, die gegenüber der Schnittmarkierung liegt.
3 Schlitze und Spalten schneiden
Schneiden Sie mit einem Cutter-Messer längs in das 3-cm-Stück einen Schlitz. In da s 6-cm-Stück schneiden Sie einen etwa 7 mm breiten und durchgehenden Spalt, sodass das Stück bei Zusammendrücken des Spalts in das lange Rohrstück geschoben werden kann. Wenn es noch nicht passt, muss der Spalt so lange verbreitert werden, bis es passt. In das lange Stück schneiden Sie einen 1 cm breiten und 4 cm langen Spalt. Die 4 cm langen Schnitte können Sie mit einem Cutter-Messer durchführen. Das Messer sollten Sie bei dem 1 cm langen Schnitt nicht benutzen, weil es sich auf der kurzen Strecke schlecht handhaben lässt und Sie damit leicht zu weit schneiden könnten. Biegen Sie am besten den Plastikstreifen aus dem Rohr heraus und trennen Sie es mit einem Seitenschneider ab.
4 Entgraten
Alle Schni ttkanten sollten gut entgratet werden, damit keine Luftverwirbelungen und Widerstände in der Pfeife entstehen können. Das würde die Pfeife leiser und den Klang schlechter machen – und im schlimmsten Fall die Erzeugung eines Tons ganz verhindern.
5 Labium feilen
Labium
Das Labium einer Pfeife oder Flöte ist ein Keil, der die Luft durschneidet. An der Kante des Labiums entsteht die Schwingung. Bläst man in die Pfeife hinein, so steigt der Druck innerhalb der Röhre schneller an als außerhalb. Dadurch entsteht ein Widerstand und es wird nach kurzer Zeit mehr Luft nach außen geblasen als in die Röhre. Hat sich der Druck wieder etwas abgebaut, dann fließt wieder mehr Luft in die Röhre. Dieses Hin und Her ist anfangs zufällig, nach kurzer Zeit stellt sich jedoch eine Schwingung (Resonanz) der Luftsäule in der Röhre ein.
An der Abrissstel le des Plastikstreifen soll das Labium entstehen. Dazu feilt man die kurze Kante mit eine r kleine Feile zu einem spitzen Keil ab.
6 Anblasstück vorbereiten
Mit einem St ück Kabelbinder verkleinern Sie nun den Radius des 6 cm langen Stückes, sodass der Spalt geschlossen wird. Das Stück muss jetzt leicht in das längere Rohr eingeführt werden können, sodass möglichst wenig Spiel dabei entsteht.
7 Anblasstück abdichten
Mit einer Heißklebepistole müssen Sie das 6 cm lange Stück an der kürzeren Seit e vom gebohrten Loch aus gesehen abdichten. Das kleine gebohrte Loch muss unbedingt frei bleiben. Am einfachsten tragen Sie den Kleber schichtweise auf und lassen die Schichten erst trocknen, bevor Sie eine neue auftragen. Beginnen Sie mit einem Ring nahe dem gebohrten Loch. Schließen Sie den Ring langsam und tragen dann eine dünne Schicht darüber auf. Zum Schluss füllen Sie den Rest bis zur Oberkante auf. Dadurch hält das Rohr jetzt auch ohne Kabelbinder zusammen.
8 Montage des Anblasstücks
Als Nächstes setzen Sie das Stück in das Pfeifenrohr ein, sodass das gebohrte Loch unter dem Spalt frei bleibt. Über dem Labium muss ebenfalls etwa ein halber Zentimeter Platz bleiben, damit die Luft in das Rohr eintreten kann.
9 Montage des Halterings
Zum Schluss stülpen Sie das 3 cm lan ge Rohrstück über den Spalt, sodass das gebohrte Loch bedeckt wird. Dazu müssen Sie das kurze Rohr am Schlitz auseinanderziehen, damit sein Durchmesser so vergrößert wird, dass es passt. Das Ergebnis können Sie nun testen, indem Sie die Orgelpfeife bis zu dem 3 cm langen Stück in den Mund nehmen und mit sehr geringem Druck hineinblasen. Wenn kein Ton entsteht, erhöhen Sie den Anblasdruck.
Halterung und Anblasautomatik
Damit die Orgelpfeifen durch Wasserwellen angetrieben werden können, wird ein Mechanismus benötigt, der Luft in die Pfeifen b läst. Am einfachsten geht das mit einer Plastikflasche, deren Boden entfernt wird. Um aus dem ganzen Apparat Musik entstehen zu lassen, benötigen Sie mehrere Pfeifen – wie viele genau, ist Ihnen überlassen. Durch Kürzen der Rohre können Sie die Pfeifen nach Gehör oder mit Hilfe eines Stimmgeräts stimmen. Die Pfeifen können auch tiefer gestimmt werden, indem Sie an den Rohren zusätzliche Stücke anbringen, um sie zu verlängern.
1 Flaschen anbringen
Die Flaschen müsse n Sie so an den Orgelpfeifen anbringen, dass der Flaschenhals etwa mittig auf dem 3 cm kurzen Rohrstück sitzt. Am einfachsten ist es, die Flasche jetzt mit einem Klebeband (Gewebeband, beziehungsweise Gaffer-Tape) zu befestigen. Achten Sie darauf, die Öffnung am Labium nicht zu überkleben. Sollte der Flaschenhals zu eng sein, können Sie ein Stück davon abschneiden, bis der Durchmesser passt.
2 Halterung
Aus Rohrresten oder Stöc ken bauen Sie nun eine Halterung, an der Sie die Orgelpfeifen und unbeschädigte, dicht geschlossene Flaschen als Schwimmkörper anbringen. Eine sternförmige Konstruktion liegt am stabilsten im Wasser. Befestigen Sie die Schwimmkörper und Pfeifen mit den selbsthergestellten Plastikschnüren. Benutzen Sie dazu einen Fön, mit dem Sie das Seil schrumpfen und das Material so fest verbinden.
3 Installation im Wasser
Wenn Sie eine Angelrute zu r Verfügung haben, installieren Sie das Intrument am besten mittels dieser im Wasser. Auf diese Weise können Sie das Instrument sicher vor die Küste setzen, sodass jede Welle, die zum Strand rollt, die Flöten spielt. — pff