Make Magazin 2/2019
S. 3
Editorial
Carsten Meyer

Von alten Säcken und jungen Hüpfern

Vom ersten Elektronik-Baukasten bis zum Schreiben dieser Zeilen liegen beim Verfasser gut 50 Jahre. Elektronische Bauteile gab es damals entweder zu Mondpreisen bei TV-Reparaturwerkstätten (24 DM für einen mittelprächtigen Leistungstransistor) oder von ausgeschlachteten Sperrmüll-Radios der frühen Nachkriegs-Ära. Improvisieren war das Gebot der Stunde.

Notfalls half auch dezentes Betteln beim Fernsehtechniker; der war ohnehin im zweiwöchentlichen Abstand zu Besuch, um die Zeilenendstufenröhre PL519 des Imperial-Farbfernsehers C-222 zu ersetzen. Mit den Bastel-Freunden traf man sich zum Bauteile-Tausch und Realtime-Chat bei einem weisen Funkamateur-Kumpel, der unwillige Blinkschaltungen zum Blinken, Oszillatoren zum Schwingen oder stumme Radios zum Plärren bringen konnte – und mit seinen Ratschlägen locker zwei Regalmeter Fachbücher ersetzte.

Heutzutage bekommt man Bastelmaterial für geradezu lächerliche Beträge vom eBay-Shop seines Vertrauens, fertige Libraries aus dem Internet, lötfreie Bausätze zum Zusammenstöpseln – welch paradiesische Zustände! Manch alter Hase ist geneigt, die selbstbewusste Maker-Generation deshalb milde zu bekritteln, fehlen ihr doch angeblich die einst mühsam angehäuften Grundlagen.

Doch andersherum ist es genauso: Mir gerontologisch fortgeschrittenem Jutebeutel, der Schaltpläne sozusagen vom Blatt spielt und defekte TTL-Gräber durch Handauflegen heilt, muss die junge Kollegin zeigen, wie man Android Studio einrichtet und wo man die fehlende Arduino-Lib findet. Naseweises Lächeln ist auf beiden Seiten also völlig fehl am Platze: Der Wissens- und Erfahrungsaustausch funktioniert zum Glück in beide Richtungen.

Unterschrift Carsten Meyer Carsten Meyer