Make Magazin 4/2019
S. 3
Editorial
Daniel Bachfeld

Bastelscham

Es ist Sommerloch und in vielen Medien sind gerade Berichte über eine neue Emotion zu lesen: „Flugscham“. Sie bezeichnet das Gefühl, mit mehr oder minder unnötigen Urlaubs- oder gar Inlandsflügen die Umwelt zu belasten. Seinen Ursprung hat das Wort im schwedischen „Flygskam“, das der Legende zufolge der schwedische Sportler und Moderator Björn Ferry etabliert hat.

Mitunter beschleicht mich beim Basteln mit den mittlerweile allgegenwärtigen Komponenten aus China ebenfalls ein beschämendes Gefühl. Wieso war das so billig? Wer verdient daran überhaupt noch? Unter welchen Bedingungen wurde es produziert? Wieso ist der Versand aus China oft kostenlos?

Die Antworten reime ich mir anhand bisheriger Horrorberichte aus Radio und TV irgendwie selbst zusammen: Billigstlöhner fabrizieren ohne Rücksicht auf die Umwelt Produkte und verschicken sie umweltschädlich mit stark subventioniertem Porto – dem Weltpostvertrag sei Dank.

Konsequenterweise müsste ich deshalb meine Bastelaktivitäten mit China-Gadgets stoppen oder zumindest stark einschränken – wollte ich mich der Bastelscham entziehen. Alternativ könnte ich versuchen, auf Komponenten deutscher oder europäischer Herkunft auszuweichen. Doch leider ist das oft gar nicht möglich, weil es sie originär hier gar nicht gibt. Denn selbst wenn ich statt auf eBay, AliExpress oder Banggood nur bei deutschen Händlern einkaufe, bekomme ich im Endeffekt doch meist nur Ware chinesischer Provenienz – nur zu erheblich höheren Preisen.

Soll ich nun mein Hobby einstellen oder mich weniger schämen? Denn trotz vieler Bedenken: In meiner Wahrnehmung haben gerade die China-Produkte die weltweite Maker-Szene positiv beeinflusst. Viele Projekte würde es ohne günstige 3D-Drucker, Breakout- und Mikrocontroller-Boards, RGB-LED-Ketten, Servo-Motoren und andere Teile gar nicht geben. Und verschlimmert das den Zustand unserer Umwelt wirklich im großen Stil? Oder verbessert es langfristig sogar die Lage, weil Maker zwar Teile fragwürdiger Herkunft nutzen, aber sich letztlich bewusster mit dem Thema auseinandersetzen und auch vieles reparieren und upcyceln und somit wieder nachhaltig handeln? Ich muss gestehen, eine Antwort habe ich dafür gerade nicht parat.

Was meinen Sie dazu, liebe Leserinnen und Leser? Schreiben Sie mir! Ich bin auf Ihre Gedanken und Ihr Feedback gespannt!

Unterschrift Daniel Bachfeld Daniel Bachfeld