Make Magazin 2/2020
S. 30
Was uns inspiriert
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Bilder: Stadtteilgarten Schillerkiez

Analoge Sternwarte

Seit 2010 existiert auf dem Tempelhofer Feld in Berlin der Stadtteilgarten Schillerkiez. Mit den Jahren hat eine Gruppe von Gärtnern durch die Himmelsbeobachtung ein großes Interesse an der Astronomie entwickelt. Davon inspiriert haben sie einen Bereich des Gartens zu einer Himmelsbeobachtungsstelle – einer analogen Sternwarte – umgebaut. Dort kann man naturwissenschaftliche Phänomene dreidimensional beobachten – in einem entsprechenden Maßstab und Zeitrahmen.

Die Sternwarte besteht aus einfachen Instrumenten, die zumeist aus Holzresten gebaut wurden: Im Garten findet man ein Experimentbrett zur Bestimmung des Meridians, eine Horizontal- und eine Äquatorialsonnenuhr, eine drehbare Sternkarte aus Holz sowie einen sogenannten parallelen Globus. Die Kosten zum Bau der präzisen Instrumente konnten die Stadtteilgärtner durch die Verwendung von Resthölzern sehr niedrig halten. Die Gruppe ist begeistert vom Lernprozess, den sie durch den Selbstbau erleben konnten. Die Sternwarte steht allen Besuchern zur Verfügung, auch Schülergruppen. rehu

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Kunst mit Feinstaubbelastung

Iris de Kievith und Annemarie Piscaer aus Amsterdam leiten das Projekt Smogware. Auf holländisch heißt es SerVies, was Geschirr oder Steingut bedeutet; Vies allein heißt schmutzig. Smogware startete mit einer Frage: Wie kann man Menschen zeigen, was es wirklich bedeutet, über 10, 20 oder 85 Jahre lang verschmutzte Luft einzuatmen? Für das Projekt sammeln die Frauen Feinstaub aus verschiedenen Weltstädten und verarbeiten ihn zu Keramikglasur. Mit der Farbe glasieren sie Geschirrsets und zeigen mit der vielfarbigen Glasur auf, wie viel Dreck wir jeden Tag einatmen – quasi Umweltverschmutzung zum Anfassen. De Kievith und Piscaer wiegen die Feinstaubmengen, die man über 10, 25, 45, 65 oder 85 Jahre in den jeweiligen Städten einatmet, haargenau ab. Der Feinstaub wird mit Glasur gemischt und auf 230 Quadratzentimeter beschichtet. Das entspricht einer ganzen Espressotasse oder dem Inneren eines Bechers. Die Glasur für 10 Jahre Feinstaub-Inhalation sieht aus wie milchiger Tee. Bei 85 Jahren erinnert sie an dunkle Erde. Die Glasuren sehen in jeder Stadt ein wenig anders aus. Es kommt drauf an, welche Schwermetalle in der lokalen Verschmutzung enthalten sind. In Berlin war die Glasur zuerst betongrau, nach dem Backen tabakbraun. Einen so lasierten Becher führt man nur mit Unbehagen an den Mund. Grace Dobush/rehu

Bilder: Smogware

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Bilder: Farina Hamann

2 455 700 km²

Das arktische Eis schmilzt rasant. Für uns Menschen und unsere Umwelt ist diese Entwicklung sehr bedrohlich. Doch wie kann man die Dringlichkeit dieses Problems auf einer emotionalen Ebene vermitteln? Die interaktive Installation 2 455 700 km² von Farina Hamann und Adrijan Steczek visualisiert die Eisschmelze mit bedrückender Konsequenz. Basierend auf Daten des arktisches Eises haben die Designer eine Installation entwickelt, die echtes Eis mit einer abstrakten Datenvisualisierung kombiniert. Sie zeigt die Veränderung der Eismasse in einer 40 Jahre umfassenden Zeitspanne: von 1979 bis heute.

Vier Eisblöcke, die mithilfe von 3D-Druck in Form der Arktis gegossen wurden, stellen die Extremwerte der Fläche aus jeweils zehn Jahren dar. Die Eisblöcke sind an Berührungssensoren angeschlossen. Alle Besucher sind eingeladen, das Eis zu berühren und die Kälte selbst zu spüren. Sobald der Sensor eine Berührung registriert, wird ein Signal an einen Arduino Uno gesendet, der eine Projektion auslöst. Jede projizierte Animation zeigt das tägliche Wachstum und den Rückgang in der entsprechenden Zeitspanne. Die Berührungen der Besucher beschleunigen das natürliche Schmelzen des Eises während der Ausstellungszeit und schaffen damit eine zweite Zeitachse. Die Ausstellung lief im März 2019 an der Hochschule für Künste Bremen. rehu