Make Magazin 6/2021
S. 3
Make
Editorial
Toby Giessen

„Und was für ein Maker bist du?“

Meine Kollegin sitzt vor mir und schaut mich erwartungsvoll an. Ich bin der neue Volontär, gerade in der zweiten Woche und habe diese Frage schon lange nicht mehr gestellt bekommen. Früher im Studium lautete sie: „Und was für ein Designer bist du?“ – da ist sie wieder, diese Anspannung. Ich weiß, dass sie aus Interesse fragt, aber mir fällt die Antwort dennoch jedes Mal schwer. Natürlich könnte ich sagen, dass ich Spiele programmiere, 3D-Drucker baue, meine Pflanzen dank Automatisierung selbst im Weltall überleben könnten und ich am liebsten Stan Winston bei Jurassic Park oder Disney als Imageneer unterstützen würde. Die Frage geht aber tiefer.

Erst gestern hat jemand zu mir gesagt: „Ich würde mich nicht als Maker bezeichnen, aber ich schraube gern an meinen Fahrrädern.“ So oder so ähnlich haben das vermutlich schon viele von euch gehört. Häufig begegnen mir auch Menschen, die überzeugt behaupten, gänzlich unkreativ zu sein. Woran liegt das und wer darf das überhaupt beurteilen? Es mag sein, dass Kreativität schwer zu greifen oder in einer Leistungsgesellschaft vermeintlich nur denjenigen vorbehalten ist, die „richtig Ahnung“ davon haben. Wenn ihr mich fragt, sollten gesellschaftliche Grenzen die eigene kreative Entfaltung nicht einschränken – außer, jemand könnte zu Schaden kommen. Deswegen ist es so schön, dass es die Maker-Szene gibt, den Ort, an dem alle willkommen sind, um Kreativität zu feiern, miteinander und voneinander zu lernen, mit dem gemeinsamen Ziel, etwas Neues zu schaffen, zu reparieren oder zu optimieren – aus reinem Interesse und Spaß an der Sache. Das heißt nicht, dass das Verwenden eines Werkzeugs dazu verpflichtet, sich Maker zu nennen. Ich ermutige nur alle, an ihre eigene Kreativität zu glauben und stolz auf das zu sein, was sie erschaffen. Und wenn es nur eine Kleinigkeit ist, die den Unterschied macht – jede Schraube zählt.

„Ich bin kreativ, neugierig und lerne gern,“ entgegne ich der Kollegin nach einer kurzen Pause. „Daraus entsteht dann etwas Neues. Das fasziniert mich. Und ich freue mich, durch meine Arbeit in der Make-Redaktion bald noch viel mehr Maker kennenzulernen, denen es genauso geht.“

make-magazin.de/xrqu

Ákos Fodor