Make Magazin 5/2024
S. 3
Make
Editorial

Alles nur geklaut?

Programmiersprachen waren noch nie mein Steckenpferd, aber ohne sie sind manche Projekte schlicht unmöglich. Also habe ich mir entsprechende Bücher gekauft, zehn Stunden lange YouTube-Tutorials geschaut und wer weiß wie oft LEDs mit Arduinos zum Blinken gebracht. Trotzdem bin ich nie so weit gekommen, Code für einen Arduino ohne ständiges Nachschlagen einfach runterschreiben zu können oder mir wenigstens die unterschiedlichen Variablenarten zu merken.

Doch meine Rettung naht! Seit einer Weile lässt sich viel schönerer Code, als ich ihn jemals werde schreiben können, kinderleicht perKI generieren. ChatGPT macht da im 4o-Modell einen passablen Job. Endlich kann ich die Absauganlagensteuerung bauen, die mir schon so lange im Kopf umhergeistert. Arduino, Stromsensoren und ein paar Relais sind schnell zusammengesucht. Soll doch das Kunsthirn seinen Job machen, ich lehne mich zurück.

Wenig später habe ich die Steuerung noch um ein Display erweitern lassen, das den Status der einzelnen Absperrschieber grafisch darstellt, und ein Nachlauf für den Staubsauger ist auch eingebaut. Rund 25-mal habe ich die KI den Code anpassen lassen, immer wieder im Online-Simulator Wokwi ausprobiert, stückweise erweitert und neue Funktionen eingebaut. Zurückgelehnt habe ich mich also gar nicht wirklich. Wenn ich Teile des Codes nicht verstanden habe, erklärte die KI ihn mir geduldig. Wie praktisch, geht mir durch den Kopf: Endlich habe ich jemanden, dem ich völlig ungeniert auch die dümmsten Fragen stellen kann! Ganz nebenbei habe ich so bei diesem Projekt wohl mehr übers Programmieren gelernt als je zuvor. Ob der fertige Code schön und effizient ist, kann ich zwar nicht beurteilen, aber er funktioniert. Das hätte ich so niemals selbst hinbekommen!

Doch während der Code nebst auskommentierten Erklärungen auf dem Bildschirm erscheint, kommen mir Zweifel. Ich fühle mich, als wäre ich wieder 15 Jahre alt und würde in der Bioklausur vom Tischnachbarn abschreiben. Wo bleibt denn das Selbstgemachte, wenn der Code von einem Computer erstellt wird? Ist der generierte Code nicht ein Innovationskiller, gar geklaut? Und ist das denn wirklich noch MEIN Projekt, wenn die KI den Code herbeizaubert?

Beim Zeichnen der Platine wird mir klar: Natürlich ist das mein Projekt. Die Idee für diese Steuerung ist von mir, die Hardware habe ich ausgesucht und in ein selbst gebautes Gehäuse gesetzt, die Platine layoute ich und die pneumatisch bewegten Absperrschieber sind ebenfalls selbst konstruiert und gebaut. Diese Steuerung gibt es so kein zweites Mal. Und auch den generierten Code gibt es so nicht noch einmal, dafür haben die KI und ich zu viele Details besprochen und angepasst.

Ich finde es nicht verwerflich, sich von einer KI bei Teilen eines Projektes helfen zu lassen, die man selber nicht kann oder die einem keinen Spaß machen. Schließlich geht es bei unseren Hobbyprojekten nicht darum, den effizientesten Code der Welt zu schreiben, sondern darum, unsere Ideen zum Leben zu erwecken. Es ist nur konsequent, wenn wir die Aufgaben, die die KI besser und schneller erledigen kann, auch von ihr erledigen lassen.

In diesem Sinne: Macht das Beste aus der modernen Technik und lasst eurer Kreativität freien Lauf. Die Welt des DIY bleibt spannend und voller Möglichkeiten – und mit der Unterstützung von KI vielleicht sogar auch innovativer.

Happy Making!

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Johannes Börnsen

Johannes Börnsen