MIT Technology Review 10/2016
S. 60
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Technology Review ist mit Autoren weltweit vertreten. Auf den folgenden Seiten berichten sie über die spannendsten Entwicklungen in ihren Ländern.

USA

Frische Gene für Parkinson-Patienten

Illustration: Sergio Membrillas

Parkinson-Patienten, die Levodopa nehmen, sind am Ende zwangsläufig enttäuscht. Zunächst bringt der Wirkstoff in einer anfänglichen Hochphase Symptome wie Tremor und Gleichgewichtsprobleme unter Kontrolle. Doch mit der Zeit lässt die Wirksamkeit nach. Es kann sein, dass Patienten hohe Dosen benötigen und trotzdem am Tag mehrere Stunden in einer Art Lähmungszustand verbringen. Sie bewegen sich in Zeitlupe. Die eigene Nase zu berühren, stellt eine Herausforderung dar.

Das will Voyager Therapeutics ändern. Die 2013 gegründete US-amerikanische Biotechfirma hofft, die Wirkung von Levodopa durch Gentherapie verlängern zu können. Das Unternehmen aus Cambridge im Bundesstaat Massachusetts testet seinen Ansatz derzeit an Parkinson-Patienten, die einer Gehirnoperation und der Injektion von DNA zugestimmt haben.

Gentherapie mit Langzeitwirkung: Noch Jahre nachdem Krystof Bankiewicz Parkinson-Patienten neue DNA ins Gehirn injiziert hat, können die aktivierten Enzyme bei der Arbeit beobachtet werden. Fotos: Voyager Therapeutics, UCSF

Parkinson bricht aus, wenn jene Nerven im Gehirn anfangen zu sterben, die Dopamin erzeugen. Die Folge sind Schwierigkeiten mit der Bewegung, wie sie bei Boxchampion Muhammad Ali zu sehen waren. Auch der an Parkinson erkrankte Schauspieler Michael J. Fox ist davon betroffen, dessen Stiftung die Entwicklung der experimentellen Behandlung von Voyager mitfinanziert hat. Fox war zuletzt in der CBS-Fernsehserie „Good Wife“ zu sehen, in der er mit Verve den ebenfalls kranken, in seiner Bewegung beeinträchtigten Anwalt Louis Canning spielt.

Die Ursache von Parkinson ist bisher zwar ungeklärt. Aber die nachlassende Wirkung des Präparats während der Therapie beruht offensichtlich darauf, dass dem Gehirn zunehmend das Enzym Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC) fehlt. Und dieser Stoff wird benötigt, um Levodopa in Dopamin zu verwandeln.

Voyager injiziert den Probanden Viren, die das Gen für AADC mit sich führen. Erreicht werden soll, dass Levodopa auch bei fortgeschrittenen Parkinson-Patienten wieder so arbeitet wie in der anfänglichen Hochphase. Videos von Patienten vor und nach der Einnahme von Levodopa verdeutlichen die Wirkung des Medikaments. Ohne das Präparat bewegen sich die Patienten äußerst langsam. Wenn der Wirkstoff gut funktioniert, sind die Betroffenen zwar zittrig, aber nicht so schwer gehandicapt.

„Mit unserem Ansatz wollen wir die Enzyme erneuern, damit die Patienten wieder für eine größere Zeitspanne wach sind“, erklärt Krystof Bankiewicz, der als Wissenschaftler der University of California bereits in den 80er-Jahren die Idee zu der Gentherapie hatte und Voyager mitgegründet hat.

Es bleiben allerdings einige Fragezeichen. Bereits vor zehn Jahren hatte Bankiewicz seinen Ansatz bei zehn Patienten getestet. In der Versuchsreihe sei der Gentransport jedoch nicht so erfolgreich gewesen wie erwartet, gibt der Wissenschaftler zu. Der Zustand der Patienten schien sich zwar zu verbessern, aber nicht besonders stark. Immerhin konnten die Forscher nachweisen, dass das dopaminerzeugende Enzym noch Jahre später im Gehirn der Patienten aktiv war.

Mit dem neuen Versuch will Voyager nun sehr viel höhere DNA-Konzentrationen in das Gehirn der Parkinson-Patienten einbringen – in der Hoffnung auf bessere Ergebnisse. Voyager zufolge scheint das zumindest bei einem Studienteilnehmer, sie nennen ihn Patient Nummer 6, geglückt zu sein. Sie haben ihn nach der Behandlung mehrere Monate lang beobachtet.

Vor dem Eingriff erhielt er eine hohe Dosis Levodopa, verbrachte aber trotzdem sechs Stunden täglich in einem lethargischen Zustand. Nun ist er nur noch zwei Stunden am Tag in Apathie und benötigt zugleich weniger Arznei. Dieser Patient Nummer 6 erhielt die bisher größte DNA-Menge, zugleich wurde das bisher größte Gehirnareal behandelt. „Ich glaube, dass frühere Misserfolge der Gentherapie-Studien mit Parkinson-Patienten auf einer suboptimalen Zustellung beruhten“, sagt Bankiewicz.

ANTONIO REGALADO