MIT Technology Review 12/2016
S. 26
Am Markt

robotik

Der autonome Bollerwagen

Ein selbstständiger Lieferroboter fährt auf deutschen Gehwegen – und alle mögen ihn.

Im Media Markt Düsseldorf-Grafental packt ein Mitarbeiter eine DVD in ein Wägelchen. Es sieht aus wie eine Mischung aus Staubsauger, Marsrover und Bollerwagen. Er schließt den Deckel und tippt auf sein Smartphone. Der Wagen fährt lautlos zur Tür hinaus und verschwindet in Richtung Parkplatz.

Das Wägelchen ist der erste kommerziell erhältliche autonome Lieferroboter. Entwickelt hat ihn das Start-up Starship mit Sitz in London und Tallinn. Dahinter stehen Ahti Heinla und Janus Friis, zwei Mitgründer von Skype. In das Fach passen Pakete bis zu 40 mal 30 mal 30 Zentimeter Größe und zehn Kilogramm Gewicht. Das Gerät selbst wiegt 20 Kilogramm, wird elektrisch angetrieben und fährt mit einer Akkuladung knapp zweieinhalb Stunden. Von Oktober bis Ende Dezember liefern zwei dieser Roboter in Grafental versuchsweise Expressbestellungen aus. Nach dem Test wird entschieden, wie es weitergeht.

Über ihre Media-Markt-App bestellt Eva Simmelbauer von der Media-Markt-Presseabteilung eine DVD und wählt „Expresslieferung“ an eine Adresse im Neubauquartier in der Nähe, das als Testgebiet dient. Eine SMS verspricht: „Dein Starship-Roboter wird in 13 Minuten bei dir sein.“ Ein Link öffnet die Karte mit der Wegstrecke. Wer möchte, kann seine Bestellung in Echtzeit vom Sofa aus verfolgen.

Das Bestellsystem ermittelt aus den Angaben automatisch die geeignete Transportart. Passen Größe und Entfernung, kommt der Roboter ins Spiel. „Hätte ich einen Kühlschrank bestellt, käme jetzt ein Lieferwagen vorbei“, sagt Simmelbauer. Der Preis ist immer gleich: 14,95 Euro pro Lieferung.

Wir folgen Robbie, wie er hier genannt wird, zu Fuß. Er fährt flottes Schritttempo, bis zu sechs Kilometer pro Stunde. Schon ist er über den Parkplatz auf den Gehweg eingebogen. Ein Stück hinter ihm geht Dino Dessi. Er begleitet den Roboter im Testbetrieb und spricht mit Passanten, wenn Fragen auftauchen. Sonst hält er sich im Hintergrund.

Robbie besitzt zwölf Kameras, dazu GPS- und Infrarotsensoren. Zudem hat Dino alle Wege im Testgebiet vorher zusammen mit ihm abgefahren und dabei kritische Stellen markiert. Kleinen Hindernissen kann Robbie zwar ausweichen, aber wenn er in größeren Schwierigkeiten steckt oder eine entsprechend markierte Stelle erreicht, „ruft“ er seinen Operator, der stets im Hintergrund bereitsteht. Heute heißt der Joel und sitzt in Tallin. Über die Kameras im Roboter sieht er dessen Umgebung und kann das Steuer übernehmen.

Wie das konkret aussieht, zeigt sich an einem Zebrastreifen. Der Bot bleibt stehen und dreht sich auf seinen sechs Rädern auf der Stelle in Richtung Straße. „Zebrastreifen und Ampeln sind noch schwierig“, erklärt Dino. Joe steuert ihn über die Straße. Der Operator kann natürlich auch sehen, wenn jemand Unfug treibt oder den Wagen stehlen will. Aber das sei bisher noch nicht vorgekommen, sagt Dino.

Die restliche Route bringt Robbie glatt hinter sich. Am Kindergarten schauen zwei Vierjährige mit Wollmützen dem kleinen Wagen hinterher wie einer Katze, die durch die Gegend streunt. Die entgegenkommenden Fußgänger bemerken ihn wohl nur deshalb, weil ich Fotos mache.

Knapp eine Viertelstunde später sind wir am Ziel. Robbie bleibt stehen, und Eva Simmelbauer bekommt eine SMS mit dem Hinweis: „Dein Starship-Roboter wartet draußen auf dich“. Dazu gibt es einen Link zu einer grünen Taste zum Öffnen der Klappe. Simmelbauer holt ihre DVD heraus, schließt die Klappe und tippt auf ihrem Smartphone auf „Paketzustellung erfolgreich erhalten“.

Dann fährt der Roboter wieder zurück zum Markt. Ich sehe ihm noch ein wenig nach. Er ist schon wieder am Spielplatz – ein Kleinkind auf dem Laufrad überholt ihn. Dann verliere ich ihn aus den Augen. Aber er kennt ja den Weg.