USA
Rottet Gentechnik Malaria aus?
Mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung leben in Malariagebieten, und etwa eine Million Menschen sterben immer noch jährlich an der Tropenkrankheit. Bis 2030 will die UN diese Geißel der Menschheit allerdings ausrotten. Und einen der radikalsten Ansätze, um das zu erreichen, stellte kürzlich ein Forscherteam der University of California von den Standorten in Irvine und San Diego vor: Die US-Wissenschaftler um den Molekularbiologen Anthony James haben Exemplare der in Indien beheimateten Moskitoart „Anopheles stephensi“ gentechnisch so verändert, dass sie die Krankheit nicht mehr auf den Menschen übertragen.
Dafür schleusten die Genetiker mittels des Gene-Editing-Verfahrens Crispr Erbgut von malariaresistenten Mäusen in die Keimbahn der Moskitos ein. In der Folge bildeten die Insekten Antikörper gegen den Malariaerreger. Das Ergebnis sind Tiere, deren Immunsystem die Parasiten tötet – und die Malaria somit nicht mehr übertragen können. Besonders angetan sind die Forscher davon, dass nicht nur die behandelten Tiere selbst, sondern auch „erstaunliche“ 99,5 Prozent der Moskitonachkommen das manipulierte Erbgut in sich tragen.
Diese Erfolgsrate verdanken die Wissenschaftler einem Verfahren namens Gene Drive. Es sorgt dafür, dass die Mutation nicht nur auf einem Chromosom vorliegt. Beim Gene Drive vielmehr kopiert sich die Mutation selbstständig auf das Schwesterchromosom. Damit sind sämtliche Nachkommen Träger der neuen Eigenschaft. Die Genveränderung setzt sich innerhalb kürzester Zeit in einer Population durch.
Langfristig will James mit seinem Team das Resistenzgen in frei lebenden Mückenpopulationen verbreiten. „Es eröffnet tatsächlich die Perspektive, mit dieser Technik die Malaria auszurotten“, schreibt er in der Online-Edition des Fachjournals „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Einen anderen Weg mit dem gleichen Ziel beschreitet derzeit eine Forschergruppe vom Londoner Imperial College. Dem Fachblatt „Nature Biotechnology“ zufolge veränderten die Briten um Tony Nolan den Gencode von weiblichen Exemplaren der Moskitoart „Anopheles gambiae“ so, dass ihre Eier unfruchtbar wurden. Bei der Vererbung der Unfruchtbarkeit an die Folgegenerationen erzielte das Team mit 90 Prozent eine ähnlich große Quote wie die kalifornischen Kollegen.
In beiden Fällen sind vor den ersten Feldversuchen allerdings noch weitere Testreihen nötig. Nolan rechnet für seine Moskitos mit weiteren rund zehn Jahren bis zum Einsatz in Malariagebieten. Technische Hindernisse dürften jedoch längst nicht das einzige Problem sein. Genveränderte Organismen in die freie Wildbahn zu entlassen, birgt große Risiken. Was passiert, wenn die Malaria-Moskitos tatsächlich – wie erwünscht – ihre natürlichen Artgenossen nahezu ausrotten, weiß niemand. Nolan hält die Kritik nicht für stichhaltig: „Es gibt etwa 3400 verschiedene Moskitoarten weltweit. Und ,Anopheles gambiae‘ ist zwar ein wichtiger Malariaüberträger, aber es ist nur eine von 800 Moskitoarten in Afrika.“ Der Genetiker bezweifelt, dass ihre Dezimierung in bestimmten Regionen das lokale Ökosystem nachhaltig beeinflussen würde.
Die kalifornische Variante hingegen bereitet sogar Genexperten Bauchschmerzen. Bereits Mitte 2015 hat die National Academy of Sciences ein Komitee zur Gene-Drive-Forschung an nichtmenschlichen Organismen einberufen. Wissenschaftler wie Hence Esvelt vom Bostoner Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering oder der Harvard-Forscher George Church warnten vor den Folgen für die Umwelt. Sie forderten im Journal „eLife“ unter anderem Maßnahmen, um die genetischen Manipulationen im schlimmsten Fall rückgängig machen zu können. Ende vorigen Jahres erklärten Church und Esvelt, sie hätten eine biologische Maschinerie entwickelt, die editierte Sequenzen in Laborhefe überschreiben könne. Obwohl der Gene Drive in den Organismen erhalten bliebe, sei er nicht mehr aktiv. Weitere Versuche werden zeigen müssen, ob diese Schutzmaßnahme ausreicht.
INGE WÜNNENBERG