MIT Technology Review 1/2017
S. 3
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Wer Prognosen wagt, muss auch Bilanz ziehen. Wie treffsicher waren wir also vor einem Jahr mit unseren Vorhersagen für 2016?

Wir erwarteten einen großen Schub für Mikrofabriken, der kundennahen Kleinserien-Herstellung von Produkten. Im Juni dann stellte der US-Autohersteller Local Motors seinen autonomen Bus Olli vor, produziert in dezentralen Fabriken und mit Teilen aus dem 3D-Drucker. Im Dezember folgte Adidas mit einem 3D-gedruckten Sportschuh, dem ersten Schritt hin zur individuellen Anfertigung im Schuhgeschäft.

Wir sagten voraus, dass der Hyperloop ein bedeutendes Thema würde – nahmen aber nicht an, dass er wirklich gebaut würde. Mit beidem lagen wir richtig.

Wir prophezeiten das Jahr der 360-Grad-Videos und einen großen Schritt für Augmented Reality. Tatsächlich kamen zahlreiche Kugelkameras auf den Markt, im Kielwasser der VR-Brillen entdeckten immer mehr Filmemacher die immersive Kraft des Formats. AR folgte mit Microsofts Hololens, vor allem aber folgte Pokémon Go.

Das dritte große IT-Thema sollten digitale Assistenten werden. Amazons Alexa oder Google Home zogen denn auch Aufmerksamkeit auf sich – nebst der Debatte, wie gut es wirklich ist, ihnen einen großen Teil seines Lebens anzuvertrauen.

Wir kündeten die Ankunft der Nasa-Sonde Juno am Jupiter an, ebenso die Landung von Schiaparelli der europäischen Raumfahrtbehörde Esa auf dem Mars. Juno lieferte, auch Schiaparelli war eine Schlagzeile – leider mit seinem Absturz auf den Roten Planeten.

Es war nicht unser einziger Irrtum: Die Organisation Ocean Cleanup wollte die erste Pilotanlage ihres gigantischen Plastikfangnetzes im Meer installieren. Nun soll es erst 2017 so weit sein. Die Falcon Heavy, mit der SpaceX Menschen eines Tages zum Mond und sogar zum Mars bringen will, hat noch immer nicht ihren Jungfernflug hinter sich. Eine Raketenexplosion beim Start im September brachte die Pläne des Unternehmens ordentlich durcheinander.

Nicht daneben lagen wir bei der Genschere CRISPR, mit der sich einfacher denn je das Erbgut verändern lässt. Aber wir haben die Entwicklung unterschätzt: Sie war das große Biotech-Thema 2016, erste Versuche an Menschen sahen wir allerdings noch nicht. Forscher in China belehrten uns dann eines Besseren.

Auch 2017 wird Überraschungen bereithalten. Nach den vergangenen zwölf Monaten hat zwar kaum jemand das Gefühl, dass es vor allem gute sind. Hoffen wir trotzdem darauf.

Ich begrüße Sie in unserer Januar-Ausgabe.

Ihr

Robert Thielicke

Unterschrift