MIT Technology Review 10/2017
S. 64
TR Mondo

USA

Der Schallmauer entgegensegeln

Schmale, spitze und lange Tragflächen: Mit dem Modellflieger eines deutschen Tüftlers flog der Amerikaner Spencer Lisenby seinen Weltrekord. Foto: DSKinetic

Wie an einem Lasso zieht das kleine Segelflugzeug am kalifornischen Bird Spring Pass seine Runden. Zunächst hoch über dem Bergrücken, wenige Augenblicke später knapp über dem felsigen Boden. Immer und immer wieder. Schneller und schneller. Bis jemand ruft: „519! Meine Güte!“

519 Meilen in der Stunde: Weltrekord. Schneller ist noch nie jemand mit einem Modellflugzeug geflogen – und das ohne Antrieb, allein mit der Kraft des Windes. Aufgestellt hat die neue Bestmarke, umgerechnet 835 Kilometer pro Stunde, vor wenigen Monaten der kalifornische Ingenieur Spencer Lisenby. Aber er ist überzeugt: Bei 519 Meilen pro Stunde ist noch nicht Schluss. „Man muss nur zur richtigen Zeit am richtigen Hügel sein“, sagt er und lacht. Ganz so einfach ist es natürlich nicht, im Gegenteil. Der sogenannte dynamische Segelflug, dessen Prinzip sich Spencer und seine Modellflugkollegen bei Vögeln abgeschaut haben, bringt Menschen und Technik an ihre Grenzen.

Das Prinzip: Pfeift der Wind über eine Bergkante, entstehen direkt auf dem Hügel extrem hohe Geschwindigkeiten. Im Windschatten des Berges geht es hingegen gemächlicher zu. Dafür lauern dort Turbulenzen. Ziel der Modellflieger ist es nun, direkt über dem Boden den beinahe windstillen Hang hinaufzufliegen und sich über der Kante – auf dem Rückweg – von den mehr als 100 Kilometer pro Stunde starken Winden treiben zu lassen. In einer großen Ellipse geht es dann wieder von vorn los. Nach und nach kann ein Segelflugzeug dabei – wie beim Rekordflug im Frühjahr – ein immenses Tempo aufbauen.

Die Manöver erfordern allerdings verwegene Steuerkünste. Im turbulenten Windschatten des Berges bewegt Lisenby seinen ferngesteuerten Segelflieger nur wenige Meter über dem Boden. Sobald die Kuppe erreicht ist, muss er umgehend den Rückflug einleiten. Nur zwei Sekunden dauert eine Rekordrunde, weniger als eine halbe Sekunde Reaktionszeit bleibt für Kurskorrekturen. Das Flugzeug legt währenddessen mehr als hundert Meter zurück. „Das geht nur mit Planung, Training, Erfahrung und viel Espresso“, sagt Lisenby.

Und mit einem genialen Konstrukteur im Hintergrund. Die Tragflächen für Lisenbys Rekordflieger sind schmal, spitz und fast drei Meter lang. Der deutsche Tüftler Dirk Pflug hat sie entworfen. Es galt, möglichst wenig Luftwiderstand zu erzeugen, aber dennoch genügend Auftrieb und ausreichend Stabilität zu gewährleisten, damit sie bei den immensen Kräften nicht in der Luft zerbrechen. Schließlich pfeift die Luft lokal mit Überschallgeschwindigkeit um den Flügel.

Für maximal 930 Kilometer pro Stunde sind die aktuellen Flügel ausgelegt. Bei höheren Geschwindigkeiten würde der Widerstand der Luft überproportional ansteigen. Dann helfen nur noch Flügel, die sich pfeilförmig nach hinten erstrecken und dadurch weniger Widerstand leisten. Die allerdings machen die ohnehin schon komplizierten Flugmanöver nicht einfacher. Lisenby ist trotzdem zuversichtlich. „Wenn wir genug Gehirnschmalz in Entwurf und Konstruktion eines neuen Flugzeugs investieren, sollten Geschwindigkeiten an die tausend Kilometer pro Stunde möglich sein.“

Alexander Stirn

Südafrika

Drohnen überwachen Schiffe und Container

Der zweitgrößte Containerhafen Afrikas in Durban soll demnächst von Drohnen unterstützt werden. Foto: Getty Images

In der südafrikanischen Küstenmetropole Durban meiden Verkehrsteilnehmer die Bayhead Road, wenn es irgendwie geht. Kein Wunder, denn die Verkehrsader schlängelt sich um das Becken des kommerziellen Hafens der Stadt und endet am Island-View-Terminal. Dort löschen riesige Frachtschiffe aus aller Welt ihre Ladungen. Deshalb stauen sich auf der Straße die Laster. Immer wieder kommt es zu Unfällen. „Mit diesen täglichen Engpässen können wir unsere Wirtschaft nicht vorantreiben“, klagt Sue Moodley, Vorsitzende der Speditionsvereinigung des Durbaner Hafens. Nun soll die Deutsche-Telekom-Tochter T-Systems aus dem Chaos einen hochmodernen, voll vernetzten Smart Port machen. Auch Drohnen sollen eingesetzt werden.

Der Hafen von Durban ist eine gewaltige Gütertransport-Drehscheibe und der zweitgrößte Containerhafen Afrikas nach Port Said in Ägypten. Nach Angaben von Transnet, dem staatlichen Betreiber des Hafens, wurden hier im Steuerjahr 2015 rund 81,88 Millionen Tonnen Fracht umgeschlagen. Im Durchschnitt werden monatlich 83000 Container abgefertigt.

„Doch der Hafen hat Probleme mit operativer Ineffizienz, besonders wegen fehlender Automatisierung und mangelhafter Kommunikation“, sagt Ronald Salis, Projektleiter der südafrikanischen Niederlassung von T-Systems. „Manche Systeme sind so veraltet, dass sie nicht einmal ihre Daten elektronisch übermitteln können.“ Das neue Konzept sieht nun unter anderem Sensoren und Trackingtechnologien vor, die in Echtzeit Informationen übermitteln. Im zentralen Nervensystem des Hafens, einer SAP-HANA-Datenbank, werden künftig die Angaben verarbeitet und sämtlichen Nutzern zur Verfügung gestellt. „Unsere Aufgabe ist es, eine einzige Plattform für all die Daten zu schaffen“, sagt Salis.

Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Drohnen zu. Sie sollen in der Luft, auf und unter dem Wasser live überwachen, was vor der Küste, im Hafenbecken und auf den Zufahrtsstraßen passiert. Sie können Papiere von den Schiffen abholen und künftig sogar Lotsen bei der Einfahrt in den Hafen assistieren. Selbst kleinere Pakete können direkt an die Schiffe geliefert werden. Die aquatischen Drohnen sollen Bojen orten, Schiffsrümpfe und Kaimauern inspizieren und sogar schwimmenden Müll entfernen. Liveaufnahmen ihrer Kameras flimmern dann über die Bildschirme im zentralen Kontrollzentrum.

Erste Tests wurden im vergangenen Jahr über drei Monate hinweg bereits absolviert. Dafür wurden 18 Szenarien durchgespielt – von der Stauvermeidung über die Abfallbeseitigung bis hin zum Livetracking der Container. So konnte zum Beispiel die genaue GPS-Position eines Containers auf dem Hafengelände mit einer Smartphone-App jederzeit ermittelt werden. Die Hafenbehörde scheint zufrieden zu sein. „Das System gewährt uns eine Echtzeit-Übersicht über alle Operationen an den Terminals und auf den Straßen“, sagt Rishta Joga, Sprecherin der Hafenbehörde. „Das hat man besonders gut in der Bayhead Road gesehen.“ Wie bei typischen Helikopterbildern von Verkehrsstaus konnten die Luftaufnahmen der Drohnen Engpässe bereits zeigen, während sie gerade entstanden. Hafenmanager Moshe Motlohi ist sicher, dass „dieses System den Hafen von Durban von einer Raupe in einen Schmetterling verwandeln wird“.

„Wenn alles gutgeht“, sagt Salis, wird das System für den Hafen der Zukunft noch vor Jahresende implementiert. Dann sollen auch die täglichen Staus auf den Zufahrtsstraßen der Vergangenheit angehören.

ROMAN GOERGEN