MIT Technology Review 12/2017
S. 32
Horizonte
Interview

» Viel zu starker Glaube an die Macht des Marktes «

Leapfrogging, also das Überspringen einzelner wirtschaftlicher Entwicklungsstufen, gilt als große Chance für den afrikanischen Kontinent. Der amerikanische Entwicklungsökonom Calestous Juma hält das für einen Trugschluss.

Zeichen des Aufschwungs oder Folklore? Diese drei Bäume sind eigentlich Mobilfunkmasten. Sie stehen in einem Nationalpark nahe der Victoriafälle in Sambia. Foto: Kumar Sriskandan/ Alamy

Landwirte, die mithilfe von mobilen Wetterdiensten bessere Ernten einfahren, und Familien, die per SMS Überweisungen tätigen können. Solaranlagen auf Dächern, die ein teures Stromnetz überflüssig machen. Kaum ein Thema weckt so viel Hoffnung unter Entwicklungshelfern, Ökonomen und Politikern wie das sogenannte Leapfrogging. Dahinter steckt die Überzeugung, dass ärmere Länder dank neuer Technologien die Phase der Industrialisierung auslassen und direkt in der digitalen Moderne landen – und so den ökonomischen Rückstand zum Rest der Welt aufholen können. Der kenianische Bezahldienst M-Pesa etwa, der das Überweisen per SMS ermöglicht, hat inzwischen 30 Millionen Nutzer in zehn Ländern – und braucht kein teures Filialnetz. Das Unternehmen M-Kopa hat mit seiner Solaranlage für den Hausgebrauch eigenen Angaben zufolge mehr als 500 000 Haushalten Zugang zu günstigem Strom gebracht. Doch daraus entsteht noch lange kein Wirtschaftswunder, sagt Calestous Juma, Professor für Internationale Entwicklung an der Harvard University. Der Glaube an Leapfrogging hemmt die wirtschaftliche Entwicklung eher, als sie anzutreiben.