Technology Review Special 2017
S. 78
Digital

NACHRUF

Robert William Taylor: Vater der digitalen Vernetzung

Mehr als eine Milliarde Menschen nutzen täglich Facebook, WhatsApp und andere Dienste, um sich via Internet auszutauschen. Die wenigsten von ihnen aber kennen den Mann, der die Entwicklung dazu in Gang setzte: Robert William Taylor. Der studierte Psychologe interessierte sich anfangs wenig für die damals neuen Computer. Erst die Begegnung mit dem Computer-Pionier Joseph Licklider, der sein Interesse an Psychoakustik teilte, zog Taylor in die neue Technologie hinein. Die beiden trafen sich 1962, und sie begannen, über Interaktion mittels Computern nachzudenken.

Foto: Gardner Campbell/ Flickr

Als Taylor 1965 selbst bei der US-Forschungsbehörde ARPA anheuerte, koordinierte er drei Gruppen in Santa Monica, Berkeley und Cambridge jeweils über ein eigenes Computerterminal. Zu umständlich – Taylor fragte sich, ob man die drei Rechner nicht miteinander verbinden könnte. Im Februar 1966 überzeugte er den Direktor der ARPA von der Idee und bekam ein Forschungsbudget von einer Million Dollar. Das damit entwickelte „ARPAnet“ startete im Oktober 1969 und wurde zur Grundlage des Internets.

Es sei ihm nie um ein atomkriegssicheres Kommunikationsnetz gegangen, betonte Taylor, sondern um den Austausch von Menschen an verschiedenen Orten via Computer. „Wir glauben, dass wir in ein technisches Zeitalter eintreten, in dem wir mit der ganzen Fülle lebendiger Information interagieren werden, als aktive Teilnehmer“, schrieb er zusammen mit Licklider 1968 in einem grundlegenden Fachaufsatz. Ein Jahr nach dem Start von ARPAnet verließ Taylor die ARPA und stellte am neu gegründeten Forschungszentrum Xerox Parc ein Forschungsteam zusammen. Unter dessen Erfindungen waren: der erste PC der Geschichte, genannt Alto, die Ethernet-Technologie sowie die Grundlagen für Laserkopierer und Schreibprogramme à la Word. „Taylor war der Hauptarchitekt unserer modernen Welt“, urteilt die Stanford-Historikerin Leslie Berlin. Im April 2017 ist Taylor im Alter von 85 Jahren gestorben. Niels Boeing

NACHRUF

Kinect: Die Entdeckung der Tiefe

Nach sieben Jahren Bauzeit stellt Microsoft die Kinect ein. Was konnte man mit ihr nicht alles anstellen: Die richtige Jeans-Größe herausfinden; Vorlagen für 3D-Drucker erstellen; Roboter mithilfe von Gesten steuern; Grenzen überwachen; Avatare für holografische Videokonferenzen animieren; autonome Staubsauger durch den Raum führen; virtuelle Puppen bewegen; Rollstuhlfahrern assistieren. Nur in ihrem eigenen Revier, den Actionspielen, konnte die Kinect nie richtig Fuß fassen. Nun hat Microsoft die Produktion der Konsolensteuerung nach sieben Jahren Bauzeit und 35 Millionen verkauften Exemplaren eingestellt.

Foto: Microsoft

Ursprünglich war die Kinect lediglich dazu gedacht, als Zubehör von Microsofts Xbox-Spielekonsole Bewegungsspiele zu steuern. Das kleine Kästchen enthielt unter anderem eine RGB-Kamera, einen Infrarot-Projektor und einen Tiefensensor. Damit konnte es die Bewegung von Menschen im Raum erfassen. Doch in der eigentlich anvisierten Zielgruppe verflog die Begeisterung schnell – zum einen, weil es zu wenig gute Spiele gab, zum anderen, weil ihre Benutzung viel Platz brauchte. War das Wohnzimmer nicht groß genug, mussten schon mal die Möbel zur Seite geschoben werden.

Dafür aber erkannten findige Nutzer schnell, dass sie für bescheidene 150 Euro einen veritablen 3D-Scanner bekamen, der sich vielfältig zweckentfremden ließ. Schon bald nach dem Verkaufsstart 2010 machten die ersten Kinect-Hacks die Runde. Microsoft entschloss sich, das nicht geplante Spiel mitzuspielen, und brachte nicht-kommerzielle Software-Kits heraus, mit denen engagierte Nutzer oder Wissenschaftler neue Anwendungen schreiben konnten. So wurde die Kinect zeitweise zum Standardwerkzeug für alles, was irgendwie mit Tiefenerfassung zu tun hatte. Bei Hackern war das kleine Zusatzgerät immer beliebter gewesen als bei gewöhnlichen Spielern, der eigentlichen Zielgruppe.

Die dahinterliegende Technik ist mit dem Produktionsende des Originals noch lange nicht tot: Hersteller wie Asus und Lenovo haben Tiefensensoren schon in ihre Smartphones eingebaut, und auch in Microsofts Augmented-Reality-Brille Hololens lebt die Kinect weiter. GREGOR HONSEL