MIT Technology Review 3/2017
S. 66
TR Mondo

SPANIEN

Elektroauto meistert die Rallye Dakar

Foto: Acciona

„Ich war glücklich wie selten zuvor“, sagt Ariel Jatón über den 14. Januar 2017. Denn nach zwölf langen Tagen und 8800 Kilometer Strecke fuhren der 43-jährige Rennfahrer und sein Copilot Tito Rolón bei der Rallye Dakar in Buenos Aires ins Ziel – und zwar als Erste in einem Elektroauto. Mit „The electric car“ des spanischen Konzerns Acciona gehen sie in die Annalen der legendären Rallye ein. Bei einem Rennen, das jeder vierte Teilnehmer vorzeitig abbrach, störte die Argentinier ihr letzter Platz nicht. „Die Dakar war diesmal besonders hart“, sagt Jatón. Aufgrund von extremer Kälte wie Hitze, starken Regenfällen, Erdrutschen und Überschwemmungen sei die Route mehrfach verlegt worden.

Seit seinem zwölften Lebensjahr bewegt sich Jatón im Ralleyzirkus, hat als Ingenieur, Mechaniker, Rennbegleiter und Fahrer gearbeitet. 2010 wurde er argentinischer Meister. Doch „Acciona 100% EcoPowered“ – so der offizielle Titel des Elektroflitzers – ist für ihn etwas Besonderes. Fünf Jahre Entwicklungsarbeit stecken darin. Alles wurde selbst konstruiert, und Jatón hat in der Werkstatt nahe Barcelona mit Hand angelegt: Ein Solarpaneel versorgt Bordelektronik und Kommunikation. Energie für den Motor liefern „15840 Batteriezellen, wie sie in Fernbedienungen oder in Computern üblich sind“, sagt Jatón. Sie lassen sich über vier Ladegeräte gleichzeitig laden. Nach einer Stunde werden 80 bis 85 Prozent der 170 Kilowatt Gesamtleistung erreicht. „Damit fährt der Wagen je nach Fahrstil und Gelände vier bis fünf Stunden“, so der Pilot. Außerdem nutzt Jatón zum Bremsen die Motorbremse, um zusätzlich Strom zu gewinnen.

Um bei längeren Etappen genügend Energie zu haben, experimentierte die Crew zunächst mit auswechselbaren Batterien. Aber das kostete zu viel Zeit und war vor allem bei Regen gefährlich, da Ströme von bis zu 400 Volt fließen. Deshalb entwarf das Team einen Begleit-Lkw mit Generator, Gleichrichter und vier Ladegeräten. Damit war das Auto unabhängig von Steckdosen – aber leider auch nicht so umweltfreundlich, wie es zunächst scheint: Für einen Ladevorgang verbraucht der Generator 14 Liter Diesel. „Das sind weniger als vier Liter für eine Stunde Fahrt“, rechnet Jatón vor. „Herkömmliche Rallyeautos brauchen bis zu zehnmal so viel.“

Wie viel die Entwicklung des E-Flitzers gekostet hat, ist nicht bekannt. „Mehrere Millionen“, sagt der Fahrer vage. Allein die Teilnahme an der Rallye inklusive der 24-köpfigen Crew habe rund eine Million Euro verschlungen.

Drei Anläufe brauchte der Wagen, um ins Ziel zu kommen. 2015 absolvierte das Elektroauto nur zwei Etappen. Voriges Jahr schied es nach 80 Prozent der Strecke aus, weil es am elften Tag zu spät das Etappenziel erreichte. Das Laden hatte zu lange gedauert. Daraufhin wurde die Stromversorgung verbessert.

Trotzdem war ein Quäntchen Glück im Spiel, das „The electric car“ in diesem Jahr doch noch als letztem Wagen ins Ziel verhalf. Bei starkem Regen war der Lade-Lkw in Bolivien mehr als 100 Kilometer vom Treffpunkt entfernt im Schlamm stecken geblieben. „Zum Glück wurde die Etappe annulliert, weil auch andere Schwierigkeiten gehabt hatten“, sagt Jatón.

Er glaubt, dass in 15 bis 20 Jahren die meisten Fahrzeuge bei der Dakar Elektroantrieb haben werden. „In vier bis fünf Jahren werden wir 500 bis 600 Kilometer Autonomie mit einer Batterieladung haben“, sagt er. Und dann hoffentlich nicht mit Strom aus einem Dieselgenerator.

Reiner Wandler