MIT Technology Review 5/2017
S. 12
Aktuell

Medizin

Krebs im Blut erkennen

Bisher musste Patienten für eine Krebsdiagnose meist eine Gewebeprobe entnommen werden. Viele Forscher suchen deshalb im Blut nach zuverlässigen Hinweisen auf Krebs. Allerdings gebe es „so viele Arten von Krebs, dass es nicht erfolgversprechend war, Marker im Blut zu finden“, sagt Andy Tao von der Purdue University.

Andy Tao von der Purdue University fand mit seinem Team Phosphoproteine im Blut, mit denen sich Krebs nachweisen lässt. Foto: Purdue Agricultural Communications/Tom Campbell

Solche Marker sind beispielsweise Phosphoproteine. Ihre Existenz weist auf Metastasen hin. Da die Phosphoproteine im Blut jedoch von Enzymen aus der Leber abgebaut werden, waren sie dort bisher kaum zu entdecken.

Der Biochemiker Tao hat jetzt mit seinem Team bei 30 Brustkrebspatientinnen trotzdem erhöhte Werte für 144 Phosphoproteine nachgewiesen. Wie die Forscher herausfanden, sind die Phosphoproteine auch in Vesikeln enthalten – kleinen Bläschen im Blut, die für die Kommunikation zwischen Zellen zuständig sind. In den Vesikeln sind sie durch eine Membran vor den Enzymen aus der Leber geschützt. So konnten die Krebs-Marker selbst in fünf Jahre alten Blutproben nachgewiesen werden.

Für die in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlichte Studie (DOI: 10.1073/pnas.1618088114) trennte Taos Team die Vesikel mit einer Zentrifuge vom Blut und bestimmte anschließend die dort enthaltenen Phosphoproteine mit einem Massenspektrometer.

Die Forscher gehen davon aus, dass die Diagnose über Phosphoproteine auf verschiedene Varianten von Krebs übertragbar ist. Denn alle Krebsarten würden Vesikel aussenden, die eine wichtige Rolle bei der Metastasenbildung spielen. Damit wäre es Tao zufolge künftig möglich, Untersuchungen zur Vor- und Nachsorge anzubieten, die günstig sind und ohne Gewebeproben auskommen. MARCO LEHNER

tiefer als vor 20 Jahren sprechen deutsche Frauen heute im Schnitt, und zwar mit 168 Hertz. Forscher der Universität Leipzig führen das auf ein verändertes Rollenbild zurück. Eine tiefe Stimme hilft, sich durchzusetzen.

UMWELT

Laser etikettiert Obst und Gemüse

Weil Bioprodukte besonders gekennzeichnet sein müssen, werden sie oft verpackt und tragen damit zum Müllberg bei. Das will der deutsche Supermarktkonzern Rewe ändern. In Nordrhein-Westfalen hat das Unternehmen ein mehrwöchiges Projekt gestartet, bei dem Süßkartoffeln und Avocados mit einem Laser etikettiert werden. Dafür trägt das gebündelte Laserlicht die oberste Pigmentschicht der Schale ab – fein genug, um die Früchte nicht zu beschädigen. Angeboten werden die Produkte in insgesamt 800 Rewe- und Penny-Filialen.

Brandzeichen ersetzen bei Süßkartoffeln die Etiketten. Foto: REWE

Die Technik wurde 2013 von der EU-Kommission zugelassen und findet in Europa bereits in Schweden und den Niederlanden Verwendung. In Ländern wie den USA und Neuseeland wird das „Natural Branding“ seit 2009 genutzt. Das Verfahren funktioniert sehr schnell: 400 Früchte soll das Lasersystem pro Minute schaffen. Nun muss sich nur noch zeigen, ob die Kundschaft die Produkte mit den Brandzeichen annimmt – oder lieber zu verpacktem Obst und Gemüse greift. BEN SCHWAN

SCHIFFFAHRT

Tunnel für Ozeanriesen

Vor dem westlichsten Punkt Norwegens liegen 56 Schiffswracks auf dem Meeresboden. Das Meeresgebiet vor der Halbinsel Stadlandet gilt als unberechenbar – die Wetterstation dort meldet zwischen 45 und 106 Sturmtage pro Jahr, hinzu kommen gefährliche Strömungen. Das Fahren kann durch die sich überlagernden Wellen sogar an windarmen Tagen gefährlich werden.

Selbst die norwegischen Hurtigruten- Postschiffe sollen durch den Tunnel passen. Foto: NCA/Kystverket

Aufgrund des Höhenunterschieds lässt sich dort kein offener Kanal bauen. Bereits 1870 wurden deshalb erste Pläne gemacht, die dortige Gebirgskette zu untertunneln. Nun will Norwegen den Plan wieder aufgreifen. Der Tunnel soll 1,7 Kilometer lang werden und 49 Meter hoch. Befahren sollen ihn Schiffe mit einer Breite von bis zu 26,5 Metern. Damit wäre er der weltgrößte Schiffstunnel. Er wird mit einem längs laufenden Entlüftungssystem versehen, das Abgase aus dem Tunnel schafft.

„Den oberen Teil des Tunnels werden wir bohren und sprengen“, so Terje Andreassen von der Küstenverwaltung. „Der untere Teil wird wie im Tagebau gegraben, bis wir zwölf Meter unter dem Meeresspiegel sind.“ Der Bau soll 2019 beginnen und ist mit 300 Millionen Euro veranschlagt. MARCO LEHNEr

Künstliche Intelligenz

Wie neuronale Netze lernen

Mit dem richtigen Training können neuronale Netze Objekte in Bildern und Videos erkennen, krakeligste Handschriften entziffern oder sogar Autos lenken (siehe S. 62). Letztlich aber weiß niemand, wie diese Netzwerke eigentlich genau arbeiten. Wissenschaftler des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts und der TU Berlin haben nun eine Software entwickelt, die sichtbar macht, welche Merkmale für das Netz besonders wichtig sind.

Ein Blick auf die Heatmap (unten) zeigt: Das neuronale Netz erkennt Schienen statt Züge. Fotos: Fraunhofer HHI

Will man einem neuronalen Netz etwa beibringen, Katzen zu erkennen, dann füttert man es mit Tausenden von Katzenbildern. Das Netz verändert seine internen Verknüpfungen so lange, bis es die Trainingsbeispiele zuverlässig erkennt. Dann kann man dem Netz auch bisher unbekannte Daten zur Erkennung vorlegen.

Die Berliner Forscher lassen die Arbeit der neuronalen Netze nun gewissermaßen rückwärts ablaufen: Sie berechnen Schicht für Schicht, welche Merkmale eines Bildes das Netz besonders hoch gewichtet hat. Das Ergebnis stellen die Forscher dann als Heatmap dar, in dem die besonders wichtigen Bereiche besonders farblich hervorgehoben werden.

Um zu demonstrieren, wie gut das Verfahren funktioniert, verglichen die Forscher beispielsweise zwei im Internet öffentlich verfügbare Netze, die beide in der Lage sind, Pferde auf Bildern zu erkennen. Das Ergebnis war verblüffend: Das erste Netz erkannte tatsächlich den Körper der Pferde. Das zweite aber orientierte sich an den Copyright-Zeichen der Fotos, die Hinweise auf Foren für Pferdeliebhaber oder Reit- und Zuchtvereine enthalten. WOLFGANG STIELER