MIT Technology Review 6/2017
S. 56
Horizonte
Medizin

Carmens letzte Chance?

Carmen Teixidor hat nahezu sämtliche Therapien gegen Krebs kennengelernt. Nun soll der New Yorker Künstlerin eine neue Art von Genmedizin endlich helfen.

Mehr als 30 Jahre siegreich im Kampf gegen den Krebs: Carmen Teixidor. Foto: Jonno Rattman

Carmen Teixidors Angst vor dem Aufwachen nach einer Operation begann 1985. Die Ärzte teilten ihr damals mit, dass sie ihre linke Brust amputiert hatten, weil sie darin auf einen großen Tumor gestoßen waren. „Nichts als Angst“ habe sie damals empfunden, sagt die Künstlerin und starrt auf den Fußboden ihrer New Yorker Wohnung. Es gibt keinen guten Zeitpunkt für eine Krebsdiagnose. Aber sie erhielt den Befund, als sie gerade ihre Karriere als Künstlerin startete. Mittlerweile ist Teixidor über siebzig, eine schlanke Erscheinung und hat ihr grau werdendes Haar zu einem jugendlichen Pferdeschwanz zusammengebunden. In den auf die Operation folgenden Jahrzehnten bewältigte sie einen Rückfall nach dem anderen, sie unterwarf sich wiederholt chirurgischen Eingriffen, ertrug mehrere Runden an Bestrahlungen und Hormontherapien. Sogar eine Chemotherapie probierte Teixidor, aber diese minderte ihre Lebensqualität so sehr, dass sie das Verfahren seither meidet. Am Ende war die New Yorkerin überzeugt, jede Behandlung kennengelernt zu haben, die in den vergangenen drei Jahrzehnten zur Verfügung stand. Aber die Angst vor den schlechten Nachrichten blieb.

Nun könnte es endlich anders werden. Zunächst beachtete Teixidor es kaum, dass Ärzte vom New Yorker Memorial Sloan Kettering Cancer Center einen winzigen Schnipsel ihres Tumors untersuchten und dessen DNA sequenzierten. Sie wollten wissen, welche Mutationen den bösartigen Krebs der Künstlerin steuern. Denn auf genetische Veränderungen dieser Art ist eine neue Generation von Medikamenten spezialisiert. Wie sich herausstellte, besaß Teixidors Tumor tatsächlich mehrere medizinisch interessante Mutationen. Allerdings gab es erst mal kein passendes Medikament. Sie musste warten. Das war nicht schlimm, denn ihr Krebs schien zu diesem Zeitpunkt unter Kontrolle. Dann aber „hatte ich einen besonders schlimmen Rückfall“, sagt die Künstlerin. An ihrem Hinterkopf konnte sie mehrere sich hervorwölbende Tumore ertasten. Weitere Wucherungen nisteten sich in Kiefer und Hals ein. Scans entdeckten noch mehr in den Knochen und in der Hüfte. Die Krankheit, die Teixidors Leben so lange überschattet hatte, war in eine neue, dunkle Phase getreten.