MIT Technology Review 8/2017
S. 3
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Wie sieht es auf der Erde wirklich aus? Die Frage scheint banal, aber wer nachforscht, stellt fest, wie wenig die Menschen ihre Welt tatsächlich kennen. Wie viel Wald gibt es eigentlich? Schlafen die Menschen heute länger als vor zehn Jahren? Reicht die nächste Ernte für sieben Milliarden Menschen? Lange war es schwer, an diese Informationen zu kommen. Nun allerdings stehen ganze Schwärme von Mini-Satelliten zur Verfügung, es gibt günstige und vernetzte Sensoren in Smartphones und Wearables, in Autos, Wohnungen und Fabriken. Damit beginnt eine neue Phase in der Vermessung der Erde. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass dabei ein neues Bild der Welt entsteht. Ab Seite 70 haben wir überraschende Erkenntnisse gesammelt und aufgeschrieben, was noch kommen wird.

Wie realitätsgetreu das Bild wird, liegt aber nicht nur an den Sensoren, sondern auch an der Auswertung der Daten. Weil es so viele sind, ist diese Aufgabe künftig nur mit künstlicher Intelligenz zu bewältigen. Aber hier lauert eine Gefahr, die noch immer unterschätzt wird: Eine KI kann irren. Je mehr Daten sie verarbeitet und je lernfähiger das System ist, desto häufiger.

Die Erkenntnis tariert das Verhältnis von Mensch und Computer neu aus. Bisher galten die Maschinen als Inbegriff der Rationalität. Sie machten Fehler, wenn sie kaputt waren. Nun aber machen sie Fehler, weil sie funktionieren. Ihre Irrtümer sind gewissermaßen Teil des Bauplans – wenn auch ungewollt. Dramatisch kann es insbesondere dann werden, wenn die Medizin oder das Militär auf ihre Urteile vertraut.

Der Schluss daraus kann nun kein neuer Maschinensturm sein. Denn künstliche Intelligenz wird hilfreich sein, mit ihr können Menschen Autos unfallfreier steuern, medizinische Diagnosen gründlicher stellen – und vielleicht sogar Gerichtsurteile besser fällen. Aber mehr denn je ist eine gesunde Skepsis nötig. Denn selbst für ihre Entwickler sind moderne KIs eine Black Box. Weltweit suchen sie daher nach Wegen, ihnen in den Kopf zu schauen. Ab Seite 30 steht, ob es gelingen wird.

Ich begrüße Sie in unserer August-Ausgabe.

Ihr

Robert Thielicke

Unterschrift