MIT Technology Review 1/2018
S. 10
Aktuell

Macht Blut jung?

Das US-Start-up Alkahest will Alzheimer-Patienten mit dem Blut junger Spender behandeln.

Wenn sich das Verfahren durchsetzt, wäre es eine ganz neue Art von Generationenvertrag: Junges Blut hilft alten Menschen. Mehrere Tierexperimente haben die Hoffnung befeuert, dass Transfusionen ein Jungbrunnen werden könnten. Nun wurde das Phänomen erstmals in Humanexperimenten untersucht.

Schon 2005 verbanden US-Forscher den Blutkreislauf einer alten und einer jungen Maus. Bei der alten beobachteten sie daraufhin, wie sich Leber- und Muskelgewebe verjüngte. Die Ergebnisse dieser sogenannten Parabiose-Experimente ließen sich jedoch bisher nicht zufriedenstellend wiederholen.

Können bestimmte Stoffe aus dem Blut junger Menschen Alterssymptome lindern? Foto: Aj Photo/Science Photo Library

Ermutigende Ergebnisse haben auch Forscher um Tony Wyss-Coray an der Stanford University erzielt. Sie benutzten sogenanntes Blutplasma, bei dem Bestandteile wie Blutkörperchen, Blutplättchen und Immunglobuline entfernt wurden, um ungewollte Gerinnungs- oder Immunreaktionen zu verhindern. Erhielten alte Mäuse wiederholt Plasma von jungen Artgenossen, verbesserte sich ihr Erinnerungsvermögen. Dafür könnte unter anderem eine verstärkte synaptische Aktivität verantwortlich sein, schrieben die Forscher 2014 im Fachjournal „Nature Medicine“.

Noch im selben Jahr gründete Wyss-Coray das Start-up Alkahest, um seine Forschungsergebnisse zu kommerzialisieren. Laut der Theorie von Alkahest sammeln sich im Blut der Tiere mit der Zeit immer mehr Substanzen an, die Alterserscheinungen hervorrufen. Parallel dazu nimmt die Menge jung haltender Faktoren stetig ab. Die Forscher vermuten, dass einige Faktoren für die verbesserte Erinnerung der alten Nager im Experiment verantwortlich sind.

In einer kleinen Studie überprüften sie nun an Menschen, „ob die Methode sicher ist und ob es einen ersten prinzipiellen Beweis gibt, dass Plasma Substanzen enthält, die gegen neurodegenerative Krankheiten wirksam sind“, sagt Joseph McCracken, Leiter der Geschäftsentwicklung bei Alkahest. Dazu bekamen 18 Patienten mit beginnender AlzheimerKrankheit Blutplasma von jungen Spendern. In der ersten doppelblinden Studienhälfte erhielten neun Patienten einen Monat lang wöchentlich einmal Blutplasma, während neun Kontrollpatienten eine Salzlösung bekamen. Nach einer Auswaschphase von vier Wochen erhielten dann beide Gruppen die jeweils andere Behandlung. In der zweiten, unverblindeten Studienhälfte erhielten neun weitere Kranke Blutplasma.

Das Ergebnis: Beide Ziele wurden laut McCracken erreicht. So seien keine ernsthaften Nebenwirkungen aufgetreten. Kognitive Verbesserungen konnten die Forscher mit Standardtests zwar nicht nachweisen. Aber den Pflegern zufolge waren Patienten öfter eigenständig und konnten sich zum Beispiel selbst anziehen. Außerdem seien sie wacher und aufmerksamer gewesen.

Als Nächstes will das kalifornische Unternehmen den Patienten nur noch bestimmte Plasmabestandteile verabreichen, um den Kreis der möglichen Jungbrunnen-Mittel einzugrenzen. „Vollplasma ist kein kommerziell verwertbares Therapeutikum“, sagt McCracken. „Wir stecken viel Arbeit in die Identifizierung seiner Bestandteile und die Optimierung einer Teilmischung.“ Anfang 2018 soll eine weitere Pilotstudie mit schwer kranken Alzheimer-Patienten starten.

Diese Strategie stellt eine deutliche Abkehr von der bisher gängigen Alzheimer-Behandlung dar, bei der Eiweißablagerungen im Gehirn der Patienten bekämpft werden. Erfolgreich waren diese Methoden bislang aber nicht.

Angesichts der kleinen Patientenzahl und der vagen Ergebnisse halten es allerdings viele Experten für verfrüht, allzu positive Schlüsse zu ziehen. Irina Conboy von der University of California in Berkeley kritisiert die Alkahest-Studie in mehreren Punkten sehr deutlich. So sei es riskant, älteren Menschen Plasma zu verabreichen. „Da können noch Jahre später schwere Nebenwirkungen auftreten, wenn fremde Proteine wiederholt das Immunsystem reizen. Es kann sogar zu multipler Sklerose oder einem allergischen Schock kommen – und die Patienten haben bereits Entzündungen im Gehirn“, sagt die Forscherin.

Außerdem hält Conboy vier Wochen für zu kurz, um positive oder negative Wirkungen zu sehen. Dazu seien Monate nötig. Fragwürdig sei auch, dass alle Patienten sowohl eine Behandlung als auch die Placebo-Salzlösung bekommen hätten. Conboy bemängelt ferner, dass in der zweiten Studienhälfte die Kontrollgruppe gefehlt habe und die Ergebnisse stattdessen mit der ersten Kontrollgruppe verglichen wurden. „Einen solchen Aufbau würden Fachjournale kritisieren, wenn es so eingereicht würde“, moniert die Wissenschaftlerin. „Es ist ungewöhnlich, die Ergebnisse erst drei Jahre nach der Studie vorzustellen und dann auch nur bei einer Tagung.“

Aus ihrer eigenen Parabiose-Forschung hat Conboy den Schluss gezogen, dass nur das Blut junger Mäuse bei alten Nagern keine Verjüngungseffekte auslöst. „Das Geheimnis der Jugend besteht eher darin, aus altem Blut den Überschuss an Substanzen zu entfernen, die im Alter gehäuft produziert werden und Alterungsprobleme auslösen“, sagt Conboy. Parallel dazu könne man Moleküle verabreichen, die im Alter fehlen. „Das ist viel sicherer.“ VeRONIKA SZENTPÉTERY-KESSLER

VERSORGUNG

Meerwasser mit Sonnenlicht entsalzen

Die lichtaktive Substanz auf der Membran (gelb) besteht aus Kohlenstoffringen mit Sulfonamid-Anhängen. Grafik: William White

Mit hohem Energieaufwand entsalzen etwa Staaten im Nahen Osten Meerwasser und sichern damit ihre Trinkwasserversorgung. Sparsamer könnte die Entsalzung in Zukunft mit Sonnenlicht ablaufen. Forscher um Shane Ardo von der University of California in Irvine entwickelten dazu einen ersten Prototyp einer ionischen Solarzelle.

Darin werden Wassermoleküle in positiv geladene Protonen und negativ geladene Hydroxidgruppen gespalten. Durch die Membran konnten die Bruchstücke – Protonen und Hydroxidgruppen – voneinander getrennt werden. Dabei entstand ein geringer Stromfluss mit bis zu 100 Millivolt Spannung.

Im Labor beleuchteten die kalifornischen Wissenschaftler ihren Prototyp mit einem Laser statt mit Sonnenlicht. Das Licht traf auf mit lichtaktiven Farbstoffen beschichtete Membranen und wurde absorbiert. Dieser Prozess lieferte genug Energie, um einzelne Wassermoleküle im umgebenden Salzwasser zu spalten.

Vereinigten sich Hydroxidgruppen und Protonen hinter den Membranen, entstand wieder Wasser – mit einem etwas geringeren Salzgehalt. Für eine weitere, elektrochemische Entsalzung wäre immer noch Strom nötig, der direkt von dieser ionischen Solarzelle geliefert werden soll. Allerdings reicht die bisher erreichte Spannung dazu noch nicht aus. Sie müsste mit weiter optimierten Prototypen mindestens noch verdoppelt werden. JAN OLIVER LÖFKEN

Interview

» Wir waren auch in Asse, um daraus zu lernen «

TR: Sie sind Mitglied des Nationalen Begleitgremiums, das die Suche nach einem Standort für ein Atomendlager begleitet und Ende 2016 seine Arbeit aufgenommen hat: Was hat Sie persönlich dazu bewogen?

Bettina Gaebel ist selbstständige Marketing- und Kommunikationsberaterin. Sie wurde 2016 als Bürgervertreterin in das neu einberufene Nationale Begleitgremium gewählt. Das Gremium begleitet die Auswahl eines Standorts für die Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen. Foto: Jurga Graf

BETTINA GAEBEL: Abgesehen vom verantwortungsvollen Umgang mit unserer Umwelt, interessiert mich die kommunikative Herausforderung. Ich bin überzeugt, dass das Gelingen eines solchen Prozesses in hohem Maße von einer guten Kommunikation abhängt.

War für Sie die technische Seite der Endlagerung eine besondere Hürde?

Wir sind kein Wissenschaftsrat, sondern eher eine Art Ombudsstelle. Wir nehmen auf, was von den Bürgern an uns herangetragen wird. Wenn wir sehen, dass etwas kontrovers beurteilt wird, ziehen wir externe Wissenschaftler hinzu und diskutieren die Positionen öffentlich.

Wird es dem Gremium gelingen, die Bürger einzubinden?

Wir sind nicht zuständig für die Bürgerbeteiligung. Wir beobachten, ob sich alles so entwickelt, wie die Bürgerschaft es erwartet. Unsere Einschätzung spielen wir dann zurück an die Beteiligten. Wir agieren als Schaltstelle, die einerseits den Dialog befördert, andererseits aber auch auf die Einhaltung der Regeln achtet. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass unser Gremium eine konkrete gesetzliche Grundlage hat. Das ist ein Novum, das unsere Rolle erheblich stärkt.

Wie kann man zwischen den drei beteiligten Parteien – der Bundesgesellschaft für Endlagerung, dem Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit und dem Bürger – zufriedenstellend vermitteln?

Im vergangenen Jahr haben wir uns zum Beispiel mit Bürgerinitiativen in Verbindung gesetzt. Wir waren in Morsleben und in Asse, um zu sehen, was in der Vergangenheit falsch gemacht wurde und was wir daraus lernen können. Außerdem wollten wir erfahren, was die Sorgen der betroffenen Bürger sind. Deshalb haben wir uns zusätzlich das Thema Zwischenlagerung auf die Agenda geschrieben.

Welches Fazit ziehen Sie aus den ersten zwölf Monaten?

Es war gut, dass das Nationale Begleitgremium schon frühzeitig an Bord genommen wurde – lange bevor eine Festlegung ansteht. So haben wir die Chance, den Prozess schon von Anfang an unabhängig zu begleiten. INTERVIEW: INGE WÜNNENBERG

VERKEHR

Saubere Diesel ohne Harnstoff

Der neue Katalysator vereint Funktionen, die bisher in getrennten Einheiten untergebracht waren. Rendering: J. Dornseiffer/Forschungszentrum Jülich

Keine Zusatzstoffe mehr tanken und trotzdem saubere Abgase – das verspricht das DeNOx-Projekt, zu dem sich die RWTH Aachen, das Forschungszentrum Jülich und mehrere Industriepartner zusammengetan haben. Sie arbeiten an einer Abgasreinigung, die zwei Nachteile klassischer SCR-Katalysatoren auf einmal beseitigt. Solche Systeme reduzieren Stickoxide mithilfe von Ammoniak, das aus Harnstoff erzeugt wird. Dazu muss erstens regelmäßig Harnstoff („AdBlue“) nachgefüllt werden, und zweitens braucht der Kat eine Temperatur von mindestens 150 Grad, die beispielsweise im Stadtverkehr nur spät oder gar nicht erreicht wird.

Die Impulse für den neuartigen Katalysator lieferten keramische Hochtemperatur-Brennstoffzellen. Durch geschickte Veränderungen eines Kathodenwerkstoffs wollen die Forscher nun einen geschlossenen Kreislauf erreichen. Er beginnt mit der Einlagerung der Stickoxide im Katalysator. Ist der Speicher voll, werden sie durch eine kurzzeitige Änderung der Motoreinstellung mithilfe der neuen Katalysatormaterialien in Ammoniak überführt, das wiederum gespeichert wird. Dieses Ammoniak-Depot soll nun die Stickoxide im normalen Fahrbetrieb abbauen – bis es aufgebraucht ist und der Prozess von vorn beginnt. Frühestens in drei Jahren soll ein Prototyp fertig sein. GREGOR HONSEL