MIT Technology Review 10/2018
S. 19
Aktuell

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

Mimik in Videos nachträglich verändern

Forscher vom Max-Planck-Institut für Informatik haben auf der diesjährigen SIGGRAPH-Konferenz in Vancouver eine Software vorgestellt, die Videos mit Nahaufnahmen von Menschen fotorealistisch verändern kann. Bisherige Ansätze modulierten nur den Gesichtsausdruck, jetzt können Kopfposition und -rotation, Gesichtsausdruck, Blickrichtung und Blinzeln angepasst werden.

Das demonstrierte das Team um Hyeongwoo Kim an einem Video der britischen Premierministerin Theresa May: Während diese im Original redete und ihren Kopf hin und her bewegte, blickte sie im veränderten Video nur noch starr in die Kamera und blinzelte häufiger.

Sogar die Mimik eines anderen Menschen kann auf das Originalvideo übertragen werden, indem künstliche Intelligenz die Bewegungen des Gesichts und des Kopfes von einem Quellvideo analysiert und auf das Original überträgt.

Die Demonstration der Forscher anhand von Videos der ehemaligen US-Präsidenten Obama und Reagan wirkte sehr überzeugend. Mögliche Anwendungen sehen die Autoren der Studie in der Filmindustrie (doi.org/10.1145/3197517.3201283): Die Mimik von Schauspielern könnte etwa an die Mimik des jeweiligen Synchronsprechers angepasst werden. Aber natürlich ermöglicht die Technologie auch eine neue Dimension von Fake News. GREGOR HEPPEL

APP DES MONATS

Sandkasten für WhatsApp

Schon vor Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in diesem Mai war der lässige Umgang von WhatsApp mit den Daten anderer Leute ein Ärgernis. Wer die App installierte, lud seine gesamte Kontaktliste auf die Server der Facebook-Tochter hoch. Spätestens mit der DSGVO ist dies nicht nur grob unhöflich, sondern auch illegal. Besonders für Firmenhandys mit Kundendaten ist WhatsApp deshalb ein absolutes No-Go.

Eine Lösung bietet nun die SRT Backes GmbH aus Saarbrücken. Ihre App „WhatsBox“ (5,99 Euro, bisher nur für Android) ist eine Art Sandkasten, in dem sich WhatsApp austoben kann und der jede Kommunikation mit dem Betriebssystem überwacht. Für den Nutzer ändert sich wenig. Er muss lediglich nach der Installation anklicken, welche Kontakte er für WhatsApp freigeben möchte. Nur diese bekommt WhatsApp dann zu Gesicht.

Rechtlich gesehen befinden sich Apps, die andere Apps überwachen, in einer Grauzone. Der SRT AppGuard etwa, der es Nutzern älterer Android-Versionen ermöglichte, Apps bestimmte Rechte zu entziehen, war nicht in Googles PlayStore zu finden. WhatsBox hingegen – erstaunlicherweise – schon. „Pragmatisch gesehen stört es niemanden, solange ein Geschäftsmodell nicht behindert wird“, sagt SRT-Sprecher Fabian Bendun. „Würden wir zusätzlich versuchen, künftige Werbung auf WhatsApp zu blockieren, würde die App sicherlich aus dem Store verschwinden. Mit unserer jetzigen Vorgehensweise kann man aber argumentieren, dass wir die Nutzer ermutigen, WhatsApp auch bei geänderter Rechtslage weiterhin zu nutzen.“

Tatsächlich könnte WhatsApp beispielsweise eine Sandbox-Erkennung in seine App einbauen. Dass dies bisher nicht geschehen ist, könnte man vorsichtig als stillschweigendes Einverständnis interpretieren. GREGOR HONSEL

TRANSPORT

Los Angeles plant Körperscanner in U-Bahn-Stationen

Als erste Stadt in den USA will Los Angeles Körperscanner in U-Bahn-Stationen einsetzen, um Passagiere zu identifizieren, die gefährliche Objekte mit sich führen. Die mobilen Scanner des Herstellers Thruvision kosten um die 100000 Dollar pro Stück, sehen wie große schwarze Koffer aus und werden abwechselnd an den 93 U-Bahn-Stationen der Stadt eingesetzt. Ihre auf Eingänge und Rolltreppen gerichteten Sensoren überprüfen in bis zu neun Meter Entfernung bis zu 2000 Personen pro Stunde. Dazu müssen die Passagiere nicht stehen bleiben, oft bemerken sie den Scan nicht. Warteschlangen wie vor Körperscannern am Flughafen sollen so vermieden werden.

Der Einsatz dient der Terrorabwehr. „Wir suchen gezielt nach Waffen, mit denen Gruppen von Menschen verletzt werden können, so wie Sprengstoffwesten oder Sturmgewehre“, so Alex Wiggins, Sicherheitsbeauftragter für öffentliche Verkehrsmittel in Los Angeles.

Grün ist okay: Wo versteckte Objekte die Körperwärme abschirmen, erscheint der Bereich dunkler. Foto: Richard Vogel/AP

Die passiven Terahertz-Körperscanner erfassen die natürliche Wärmeabstrahlung des menschlichen Körpers und geben keine anatomischen Details preis. Schilder weisen die Fahrgäste auf den Einsatz der Körperscanner hin. Wer sich dem Scan nicht unterziehen möchte, darf die U-Bahn nicht nutzen. ANTON WESTE

LEBENSMITTEL

Süßerer Zucker

Das israelische Start-up DouxMatok hat eine Technik entwickelt, die Zucker süßer macht. Dadurch kann der Zuckergehalt in Lebensmitteln nach Angaben der Entwickler um bis zu 40 Prozent reduziert werden. Entscheidend für die Süße ist, wie viele Zuckermoleküle zu den Geschmacksrezeptoren auf der Zunge gelangen. Um die Anzahl zu steigern, verwendet DouxMatok nun einen mineralischen Träger aus Silizium, in dessen poröse Struktur die Zuckermoleküle eingebettet werden. Diese Cluster sind schwerer und verweilen länger an den Geschmacksrezeptoren, der Zucker wird als süßer empfunden. Silizium ist außerdem ein wichtiger Nährstoff für Knochen und Bindegewebe.

Die Zuckercluster sollen wie herkömmlicher Zucker aussehen. Das Trägersystem funktioniert bereits in Gebäck, Süßigkeiten und Müsli, aber noch nicht in Getränken. DouxMatok will das Produkt in Kooperation mit dem Unternehmen Südzucker bis Ende 2019 auf den europäischen Markt bringen. GREGOR HEPPEL

watchlist politik

Regeln für den Weltraum

In der zweiten Hälfte der Legislaturperiode will die Berliner Koalition ein Weltraumgesetz vorlegen. Eine Regelung zum Abbau von Rohstoffen im All, wie von der Industrie gefordert, ist nicht enthalten. Dies solle international geregelt werden. Zudem soll das Gesetz festschreiben, dass für Schäden durch herabfallenden Weltraumschrott der Verursacher haftet und nicht der Staat.

Flugdaten abgleichen

Airlines, Reisebüros und andere Reiseanbieter müssen ab diesem Sommer umfangreiche Datensätze aller Flugpassagiere an Landeskriminalämter, Zoll und Bundespolizei melden. Diese dürfen sie fünf Jahre speichern. Damit setzt Deutschland eine EU-Richtlinie um. Zu den rund 60 Informationen zählen laut Online-Magazin Telepolis unter anderem Mitreisende, Hotels, Mietwagen, Kontaktdaten, Reisebüro und Essensvorlieben. Die Daten dürfen mit Risikoprofilen und Polizeidaten abgeglichen werden.

Förderung von Disruption

Die Bundesregierung hat eine Agentur zur Förderung von „Sprunginnovationen“ gegründet. Sie soll die Mittel bereitstellen, bahnbrechende Ideen zu verwirklichen. In der Agentur sollen Innovationsmanagerinnen und -manager zeitlich befristet tätig sein und besondere Handlungsfreiräume genießen.

Für Verbrenner verboten

London will ab April einen Teil der Moor Lane, eine Nebenstraße in der Nähe des Barbican Centre, für Autos mit Verbrennungsmotor sperren. Plug-in-Hybride sind ausgenommen. Dies soll als Test für ein umfassenderes Fahrverbot dienen. Parallel dazu wird die City-Maut für ältere Autos und Diesel mehr als verdoppelt.