Technology Review Special 2018
S. 52
Medizin/Umwelt

Glyphosat vor Gericht

Glyphosat lässt Bienen sterben, und ein Mann erkrankte an Krebs, weil er damit gearbeitet hat? 2018 könnte den Anfang vom Ende des Unkrautvernichters markiert haben – auch wenn die wissenschaftlichen Fakten dagegen sprechen.

Dewayne Johnson ist 46 Jahre alt und ein gebeugter Mann. Die nächsten Jahre wird er wohl nicht überleben. Krebs breitet sich in seinem Lymphsystem aus. Früher war er Hausmeister, verantwortlich für die Schulen in einem Vorort von San Francisco. Seine Aufgabe sei unter anderem gewesen, die Gelände der Schulen frei von Unkraut zu halten, sagt er. Um der wuchernden Gräser Herr zu werden, setzte er enorme Mengen des Unkrautvernichters Roundup von Monsanto ein. Sein Hauptwirkstoff ist Glyphosat, das weltweit meisteingesetzte und umstrittenste Totalherbizid. Johnson glaubt, es habe seinen Krebs verursacht. Er zog vor Gericht und bekam recht. Im Oktober verurteilte eine US-Richterin Monsanto zu einer Strafzahlung von 79 Millionen Dollar an Johnson.

Dewayne Johnson arbeitete mit dem Pflanzenschutzmittel Glyphosat und wurde tödlich krank – ein US-Gericht sprach ihm deshalb 79 Millionen Dollar zu. Foto: Josh Edelson/Pool/Reuters

Die Wellen, die das Urteil schlug, erreichten Europa mit unverminderter Wucht. Denn der wichtigste Glyphosat-Hersteller gehört seit August 2018 offiziell zur deutschen Bayer AG. Das Unternehmen will gegen das US-Urteil Berufung einlegen, denn bleibt es bestehen, wird es eng: Über 9000 weitere Klagen dieser Art stehen an. Zudem machte im September eine Studie Schlagzeilen, die mit dem Urteil eigentlich nichts zu tun hat – aber von Glyphosat-Gegnern trotzdem oftmals im selben Zusammenhang angeführt wird. Sie zeigt, dass Glyphosat die Darmflora von Bienen verändert und so zum Sterben von Bienenvölkern beiträgt. Sollten die Umweltverbände also recht behalten? Ist Glyphosat schmutzig? Bundesumweltministerin Svenja Schulze jedenfalls kündigte im November an, den Einsatz des Mittels in Deutschland einschränken und bis 2023 ganz verbieten zu wollen. Haben die Zulassungsbehörden über Jahrzehnte versagt?