Technology Review Special 2018
S. 26
Verkehr/Raumfahrt
Morandi-Brücke

Tödliches Versagen

Nach dem Einsturz der Morandi-Brücke in Genua begann rasch die Suche nach der Ursache und den Schuldigen.

Die spezielle Bauweise der Morandi-Brücke in Genua trug zu ihrem Einsturz bei. Foto: Fabio Palli/NurPhoto/Sipa/Ddp

Als am 14. August 2018 das Polcevera-Viadukt in Genua, das von den Genuesen nur Morandi-Brücke genannt wurde, einstürzte, kam sofort die Frage auf: Hätte sich das Drama verhindern lassen? Einiges ist schon jetzt klar: Zum Einsturz beigetragen hat mit großer Sicherheit die ungewöhnliche Bauweise, die der Architekt und Bauingenieur Riccardo Morandi für die Brücke wählte. Bei den sogenannten Zügelgurtbrücken wird die Fahrbahn wie bei allen Schrägseilbrücken von Stahlseilen gehalten, die oben an den Pylonen befestigt sind. Allerdings sind bei der Zügelgurtbrücke sämtliche Seile gebündelt, sodass im ungünstigsten Fall alle auf einmal versagen und dann der ganze Pylon einstürzt. Genau das ist in Genua geschehen. Bei der Morandi-Brücke kam erschwerend hinzu, dass diese gebündelten Stahlseile mit Beton verkleidet waren, was eine einfache Inspektion durch Sichtkontrolle verhindert hat.

Morandi selbst warnte schon 1979 vor Korrosionsschäden durch Industrieabgase und die Nähe zum Meer. Endoskopische Untersuchungen an den Stahlseilen des östlichen Pylons in den 1990er-Jahren bestätigten die Befürchtungen und zeigten große Schäden durch Oxidation, einzelne Fasern waren sogar schon locker. Als Folge wurde der östliche Pylon saniert – aber nicht der jetzt eingestürzte westliche Pylon. Seine Sanierung ist erst im Mai dieses Jahres ausgeschrieben worden.

Weitere Erkenntnisse soll eine Prüfung durch die unabhängige Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in der Schweiz erbringen. 13 Trümmerteile aus Italien wurden für die Untersuchungen auf Lastwagen verladen und in die Labore der Empa transportiert. Sobald die Untersuchungen abgeschlossen sind, sollen die Reste der Morandi-Brücke abgerissen werden.