MIT Technology Review 3/2018
S. 113
Fundamente
Rückschau

Verheddert im Urheberrecht

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Digitale Bibliotheken

TECHNOLOGY REVIEW 3/2013 Wie das Urheberrecht digitale Bibliotheken ausbremst.

Vor rund fünf Jahren, am 18. April 2013, ging die Digital Public Library of America (DPLA) online. Aus diesem Anlass beleuchtete TR in Heft 3/2013 die Vision, die hinter dieser nicht kommerziellen digitalen Bibliothek stand: Allen Menschen direkten Zugriff auf alle Bücher und Dokumente in Bibliotheken, Archiven und Museen zu ermöglichen.

Die DPLA war eine Antwort auf Google Books. Der Digitalkonzern hatte 2004 begonnen, Bücher einzuscannen, verhedderte sich aber zehn Jahre später in Urheberrechtsfragen. Nun sollte ein gemeinsames Projekt der US-Bibliotheken dieses Hindernis umschiffen. Doch die zentrale Frage konnten auch die Organisatoren der DPLA nicht lösen: Wie lässt sich ein solches Vorhaben mit dem US-Urheberrecht in Einklang bringen?

Heute haben die 30 größten Archive und Bibliotheken der USA zwar Daten zu fast 21 Millionen Objekten zur DPLA beigesteuert – aber dabei handelt es sich nur um Metadaten. Leser können damit also recherchieren, welche Bücher zu einem Thema verfügbar sind und wo sie aufbewahrt werden. Doch ihre Inhalte sind nach wie vor nicht frei online zugänglich.

So stehen sich bis heute Google Books und die zentralen Angebote der Bibliotheken gegenüber. „Bei Google Books geht es um Masse, die mit KI irgendwie analysiert wird. Das erfüllt natürlich seinen Zweck, aber eine systematische Recherche ermöglicht es nicht“, meint Ulrich Herb, an der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek zuständig für elektronische Publikationen. Zugangspunkte wie die DPLA würden dagegen eher einem Katalog entsprechen, der sauber mit Thesauri und Schlagwörtern beschrieben ist.

Wenn in Deutschland am 1. März das neue Urheberrechtsgesetz in Kraft tritt, wird sich daran nicht viel ändern – jedenfalls nicht für Menschen. Maschinen dagegen haben ab diesem Zeitpunkt mehr Möglichkeiten. Denn das neue Urheberrecht erlaubt die automatisierte Volltextrecherche in aktueller Literatur. Sie lässt sich also per Text- und Datamining auf Muster und damit auf neue, bisher verborgene Informationen untersuchen. Man darf gespannt sein, welche neuen Interpretationen sich daraus ergeben. Hanns-J. Neubert