Was macht ein Luftarchäologe?
Luftarchäologen schauen vom Himmel aus unter die Erde – und in die Vergangenheit. Sie brauchen viel Flugerfahrung und technisches Know-how.
Baoquan Song schnallt sich mit einem Klettverschlussband ein Notizbuch um das Bein, hängt die Spiegelreflexkamera mit Teleobjektiv um den Hals und greift zum Steuer seiner Cessna F 172 M. „Wenn ich fliege“, erklärt der 55-Jährige, „muss ich vier Jobs gleichzeitig übernehmen: Pilot, Navigator, Fotograf und Archäologe.“
Song ist Luftarchäologe des Archäologischen Instituts der Uni Bochum – einer von nur zehn solcher Forscher in Deutschland. Der Vater von zwei Kindern kam als Staatsstipendiat nach Deutschland, studierte Archäologie und promovierte in Bochum. Sein Doktorvater animierte ihn zur Lufterkundung. Zwei Jahre lang flog er bei einem erfahrenen Kollegen mit, dann machte er selbst den Pilotenschein für einmotorige Maschinen. Die Kosten von rund 10000 Euro trug eine Stiftung, nur die teuren Kameras muss er aus eigener Tasche bezahlen.
Die zückt er in 600 Metern Höhe, während die Maschine mithilfe des Autopiloten um ein Feld kreist. Dort ist Song auf sogenannte negative Bewuchsmerkmale aufmerksam geworden: unterschiedlich hohes Getreide. Der Grund: Die Wurzeln stoßen auf Fundamente alter Mauern und hemmen das Wachstum der Pflanzen, sodass ein Muster an der Oberfläche zutage tritt. Nur aus der Luft und nur für ein geschultes Auge werden solche Spuren sichtbar. So entdeckte Song nördlich von Schermbeck in Nordrhein-Westfalen Anfang 2015 Spuren einer Burg, die in keiner historischen Karte verzeichnet war.
Sind archäologisch interessante Regionen von dichten Wäldern bedeckt, helfen normale Fotos nicht weiter. In solchen Fällen kommen Laserscanner zum Einsatz. Sie senden 200000 Laserimpulse pro Sekunde Richtung Boden und erfassen Höhenunterschiede von wenigen Zentimetern sogar durch Vegetation hindurch.
Theoretisch könnte Song einen solchen Laserscanner auch an seiner Cessna befestigen, aber dafür bräuchte er eine spezielle Zulassung. Inzwischen gibt es auch Drohnen mit Laserscannern, die den Job zumindest in niedrigen Flughöhen übernehmen. Satellitenbilder helfen ebenfalls, archäologische Stätten zu orten. So liefert neuerdings der Erdbeobachtungssatellit WorldView-4 Aufnahmen mit einer Auflösung von 31 Zentimetern und damit in nie da gewesener Qualität.
Schon heute kommen für Song und seine Mitarbeiter auf eine Flugstunde etwa acht Stunden für die Auswertung und Verarbeitung der Bilder. Um die Funde in Datenbanken zu archivieren und auszuwerten, müssen Luftarchäologen auch Geoinformationssysteme beherrschen. JOSEPH SCHEPPACH