MIT Technology Review 9/2018
S. 68
Fokus
Science-Fiction

Werdet erwachsen!

Würde man eine Beschreibung unseres heutigen Alltags ins, sagen wir, Jahr 1962 transportieren, man könnte sie als pure, wenn auch etwas überspannte Science-Fiction verkaufen: Jeder Mensch trägt ein Telefon in der Hosentasche und hat über einen Computer, der kaum größer ist als ein Frühstücksbrettchen und den jedes Kind mit bloßen Fingerbewegungen bedienen kann, jederzeit Zugriff auf das Wissen der ganzen Welt, sogar dann, wenn er zum Beispiel gerade in einem Zug sitzt, der mit 300 Stundenkilometern dahinsaust. Computer in unseren Autos dirigieren uns mithilfe Hunderter von Weltraumsatelliten, kleine Geräte im Wohnzimmer beantworten uns jede Frage, und wir müssen uns ernsthaft sorgen, von unseren Rauchmeldern ausspioniert zu werden.

Foto: Uwe Zucchi/ Dpa Picture-Alliance

Das gäbe einen Artikel, der 1962 mit Interesse gelesen würde, obwohl oder vielleicht gerade weil die 60er-Jahre selber nicht gerade arm an eigenen Zukunftsvisionen waren: fliegende Autos für jedermann, Städte auf dem Mond, Haushaltsroboter, Steuerung des Wetters, Begrünung der Wüsten und Hochzeitsreisen ins All bevölkerten die Vorstellungen davon, wie „wir“ im 21. Jahrhundert leben würden. Und obwohl sich seither vieles davon verwirklicht hat, wenn auch nicht unbedingt genau so, herrscht heute ein auffallender Mangel an vergleichbaren Visionen unsere eigene Zukunft betreffend: Darüber, wie „wir“ im Jahr 2100 leben, will offenbar niemand so gern nachdenken.