MIT Technology Review 9/2018
S. 26
Am Markt

Ausprobiert

Rollbrett mit Rückenwind

Ein nachrüstbarer Radnabenantrieb macht jedes Skateboard zum Verkehrsmittel.

Mein linker Fuß krallt sich vorn auf dem Brett in den Belag, mit dem rechten stoße ich mich kräftig auf dem Asphalt ab. Dann gleite ich mit dem „Mellow Drive“ von ganz allein über die Straße. In der Hand halte ich eine kleine Fernbedienung, die über Bluetooth mit dem Antrieb des E-Skateboards kommuniziert. Schiebe ich den Regler nach vorn, beschleunigt das Brett. In die entgegengesetzte Richtung bremst es.

Klingt ganz einfach. Ist es aber nicht. Wer, wie ich, eine eher laienhafte Skater-Vergangenheit hat, dürfte auf den ersten Metern etwas wackelig unterwegs sein. Schnell klappt es besser, und der Fun-Faktor steigt. Sicherheitshalber haben die Hamburger Macher des Boards verschiedene Fahrmodi eingebaut. Absolute Beginner wie ich starten als „Rookie“. Wer das meistert, schaltet auf „Eco“ hoch. Jetzt geht’s flotter zur Sache – das Board beschleunigt und verzögert rasanter. Wer als „Pro“ skaten will, muss mindestens 30 Kilometer gefahren sein, erst dann schaltet die Software die volle Leistung frei. Dann geht’s mit bis zu 40 km/h zur Sache. Also Helm tragen!

Der Antrieb lässt sich unter praktisch jedes Skateboard schrauben. So kann jeder Fahrer das Board wählen, das ihm am ehesten liegt. Die weitere Besonderheit sind die eigens entwickelten Radnabenmotoren mit je drei Newtonmetern Drehmoment. Sie beschleunigen und bremsen ohne Verzögerung. Die Motoren rekuperieren sogar, laden beim Bremsen also den Akku. Die meisten anderen E-Skates haben Riemen, die träger sind und beim Fahren ohne Elektrounterstützung zudem viel Energie rauben, da sie immer mitlaufen.

Strom liefert ein Lithium-Ionen-Akku mit 99 Wattstunden. Dessen Ladestand wird direkt am Board angezeigt oder auf der zugehörigen App. Eine Ladung reicht für bis zu 15 Kilometer. Wer liegen bleibt, muss allerdings ganz schön treten, um mit dem rund fünf Kilogramm schweren Board nach Hause zu kommen.

Das Aufladen dauert dann drei bis vier Stunden. Fixer geht’s mit dem Schnelllader, der den 25-Volt-Akku in 45 Minuten vollpumpt.

Die Idee der Mellow-Drive-Macher aus Hamburg ist es, das Surf- oder Snowboardfeeling auf die Straße zu bringen. Das ist geglückt. Doch den beiden Geschäftsführern Johannes Schewe und Kilian Greene geht es nicht nur um den Fahrspaß. Sie wollen auch eine emissionsfreie Alternative zu Autos, Bussen oder Rollern für kurze Strecken bieten. Entsprechend solide ist das Set: Das Gehäuse besteht aus Magnesium, alles hat Autoindustriestandard. Der Antrieb ist sogar wasserdicht (IP 65).

In vielen Ländern sind solche „Light Electric Vehicles“ längst gesetzlich anerkannte Verkehrsmittel. Hierzulande ist eine entsprechende Gesetzesänderung in Arbeit.

Auf sauberem Asphalt ist das E-Board in der Tat eine ernst zu nehmende Fortbewegungsalternative. Kleine Steinchen hingegen können gefährlich werden, Schotter geht gar nicht.

 

produkt: Mellow Drive hersteller: Mellow Boards preis: 1799 Euro (ohne Board) Link: www.mellowboards.com