MIT Technology Review 1/2019
S. 40
Horizonte
Vorschau 2019

Die letzten ihrer Art

Im Herbst 2019 dürfte das finnische Kernkraftwerk Olkiluoto 3 endlich ans Netz gehen. Seine Technologie sollte eine Renaissance der Kernkraft einleiten. Stattdessen wird sie zu ihrem Sargnagel – und zwar nicht nur in Europa.

Zum Start gibt es schon das erste Jubiläum: Zehn Jahre ist es her, dass das größte und modernste Kernkraftwerk Europas ans Netz gehen sollte. Im September 2019 wird es für Olkiluoto 3 an der Westküste Finnlands nun tatsächlich so weit sein – wenn man nach all der Verzögerung dem jetzigen Zeitplan glaubt. Der „reguläre Betrieb“ soll dann im Januar 2020 starten. Mit 1600 Megawatt Leistung soll der „Europäische Druckwasserreaktor“ (EPR) gut ein Zehntel des finnischen Strombedarfs von etwa 80000 Gigawattstunden pro Jahr decken. Für die Klimaziele Finnlands spielt der EPR eine zentrale Rolle, zumal das Land bis 2029 komplett aus der Kohleverstromung aussteigen will.

Und doch: Was den Aufbruch in ein neues Zeitalter der Atomenergie einläuten sollte, entwickelte sich in Wahrheit zu ihrem Sargnagel. Statt vier Jahren betrug die Bauzeit 14 Jahre, statt 3,2 Milliarden Euro liegen die Kosten nun bei geschätzten neun Milliarden. Siemens stieg als einer der Projektpartner 2011 aus der Kernenergie aus, der zweite Partner Areva wäre fast daran pleitegegangen. Seit Jahren liefert er sich mit der Betreibergesellschaft TVO einen Rechtsstreit vor der Internationalen Handelskammer in Paris über die Kostenexplosion.