MIT Technology Review 12/2019
S. 58
Horizonte
Künstliche Intelligenz
Experten rechnen damit, dass KI-Systeme schon bald nicht nur ihre Ziele vollautomatisch auswählen, sondern auch den Angriff selbst optimieren. Collage: Rod Said/Reuters, Shutterstock

KI zieht in den Krieg

Künstliche Intelligenz verändert alle Aspekte des Krieges. Zu rechnen ist mit einem neuen Wettrüsten.

Während das Flugzeug der US-Marine dicht über den Dschungel von Vietnam flog, ließ es ein Bündel ­Geräte in das Laubdach unter sich fallen. Es waren Mikrofone, die auf Guerillaschritte oder Lkw-Zündungen lauschen, seismische Detektoren, die winzige Vibrationen im Boden spüren, und Geruchssensoren, die Ammoniak im menschlichen Urin erschnüffeln sollten. Zehntausende dieser elektronischen Sinnesorgane sendeten ihre Daten an Drohnen und weiter an Computer. Bereits wenige Minuten nach einer Alarmmeldung sollten sich Kampfflugzeuge auf den Weg machen, um das algorithmisch festgelegte Gebiet zu bombardieren. 1970 war die Operation „Igloo White“ die Zukunft des Krieges.

Amerikas Bemühungen, den Ho-Chi-Minh-Pfad von Laos nach Vietnam zu durchbrechen, waren erfolglos. Die Aktion kostete etwa eine Milliarde Dollar pro Jahr (umgerechnet auf den heutigen Wert etwa 7,3 Milliarden Dollar) beziehungsweise 100000 Dollar (730000 Dollar heute) für jeden zerstörten Lkw – aber sie stoppte die Infiltration nicht. Trotzdem verblasst die Anziehungskraft eines halb automatischen Krieges nie. Nun wird die Entwicklung, Daten von Sensoren zu sammeln, sie mit Computern mit immer mehr Rechenleistung zu verarbeiten und so schneller als der Feind zu reagieren, durch neue Fortschritte in der künstlichen Intelligenz dramatisch beschleunigt.