Technology Review Special 2019
S. 16
Verkehr
E-Roller
Wie hier in Berlin eroberten E-Roller 2019 viele deutsche Großstädte. Foto: Peter Meißner/Ullstein Bild

Alles voller Roller

Seit Sommer 2019 wimmelt es in deutschen Städten vor E-Scootern. Bringen sie die Verkehrswende voran oder nur unnötige Emissionen und Unfälle?

Von Karl-Gerhard Haas

Geschichte wiederholt sich: Werden neue Produkte verfügbar, herrscht Goldgräberstimmung. Stolze zehn Anbieter von Leih-Elektrorollern, neudeutsch E-Scooter genannt, drängten schon im Mai 2019 allein im beschaulichen Stuttgart auf den Markt. Auch in anderen deutschen Großstädten sind mittlerweile meist mindestens vier überregionale Anbieter aktiv – Circ, Lime, Tier und Voi. Im August startete mit Bird Nummer fünf, zunächst aber nur in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln und München. Ebenfalls wie bei vielen neuen Technologien folgte der Begeisterung der Katzenjammer: Klagen über mangelnde Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer häuften sich, Mediziner warnten vor großen Unfallgefahren, Medien berichteten über die schlechte Bezahlung der „Juicer“ (vom umgangssprachlich als Saft bezeichneten Strom), die über Nacht die Gefährte einsammeln, aufladen und wieder an ihre Standorte bringen. Doch was ist wirklich an den Klagen dran? Zeit für eine erste Bilanz.

Regelverstöße

Der ADAC veröffentlichte eine Untersuchung, für die in sechs deutschen Städten zu Bürozeiten insgesamt 4000 Fahrer von E-Scootern beobachtet wurden. 20 Prozent waren in Fußgängerzonen, auf Gehwegen oder in falscher Fahrtrichtung unterwegs. Der ADAC geht – durchaus naheliegend – davon aus, dass die Zahl der Regelverstöße nachts deutlich größer ist. ­Tatsächlich erwischte die Münchener Polizei bei Scooter-Kon­trollen in den ersten vier Monaten in der Stadt mehr als 1500 Personen mit Alkohol am Lenker, bei der Hälfte davon mit mehr als 1,1 Promille. In Mannheim und Heidelberg wurden innerhalb von sieben Tagen 233 Verkehrsverstöße mit E-Rollern ­beobachtet.