MIT Technology Review 3/2019
S. 75
Fokus
Quantentechnologie

Sinnliche Diamanten

Kleinste Diamantnadeln eines Schweizer Start-ups vermessen Magnetfelderim Nanobereich. So lassen sich etwa kleine Hirnscanner herstellen.

Das war’s jetzt aber mit dem Ausplaudern von Geheimnissen“, sagt Mathieu Munsch. Unruhig rutscht der Geschäftsführer von Qnami auf seinem Stuhl herum, während sein Kollege Patrick Maletinsky, Physikprofessor an der Universität Basel, über das spezielle Know-how ihres Start-ups erzählt. Qnamis neuartige Sensoren können magnetische Strukturen in Festkörpern mit einer Auflösung von zehn Nanometern untersuchen – das ist bis zu hundertmal genauer als mit herkömmlichen Methoden. Mit dieser Ultrapräzision würden zum Beispiel extrem kleine Speicher möglich – oder Arbeitsspeicher, die ohne Strom funktionieren. Ein Computer könnte ohne Zeitverlust hochfahren, da der Arbeitsspeicher nicht bei jedem Start neu beschrieben werden muss. Denkbar wären auch Magnetresonanztomografen, die bei kürzeren Scanzeiten höher aufgelöste Bilder aus dem Körper von Patienten liefern.

Die Grundlagen für die Messtechnik von Qnami wurden schon in den 1970er-Jahren gelegt. Damals hatte man erforscht, wie Fremdstoffe und Fehler im Kristallgitter die Farbe von Diamanten beeinflussen. Vollkommen reine Diamanten bestehen ausschließlich aus Kohlenstoffatomen, die in einem speziellen Gitter angeordnet sind. Ein Fehler ist eine Leerstelle in diesem Gitter, ein Fremdstoff beispielsweise ein Stickstoffatom. Wenn sich beides in direkter Nachbarschaft befindet, kommt es zu einem speziellen Effekt: Die einzelnen Elektronenwolken des Stickstoffs und der benachbarten Kohlenstoffatome überlagern sich an der Leerstelle so, dass ein ganz neues quantenmechanisches System entsteht. Dieses System lässt sich als Sensor nutzen, weil das Verhalten seiner Elektronen vom umgebenden Magnetfeld abhängt. Ohne Magnetfeld besitzt das System zwei gleich hohe Energieniveaus für Elektronen. In einem Magnetfeld jedoch sinkt das eine Energieniveau ab, das andere erhöht sich – und zwar umso mehr, je stärker das Feld ist. Regt man diese Energieniveaus nun mit Mikrowellen an, strahlen sie je nach Magnetfeld bei einer bestimmten Frequenz besonders viel Licht aus. So lassen sich die Unterschiede messen.