MIT Technology Review 5/2019
S. 78
Fokus
Raumfahrt

Planet 9, wo bist du?

Astronomen vermuten einen unbekannten Planeten am äußersten Rand unseres Sonnensystems. Nun läuft die Suche.

Durchgezogene Linien: Sechs Himmelskörper, die jenseits des Neptun ihre Bahnen um die Sonne ziehen. Gestrichelte Linie: hypothetische Bahn von Planet 9. Grafik: Nagualdesign – eigenes Werk, based on a video released by Caltech

Vierhundert Jahre schon suchen Astronomen mit Fernrohren den Himmel nach Sternen ab – und haben seitdem gerade mal zwei große Planeten entdeckt, die den Wissenschaftlern der Antike noch nicht bekannt waren: Uranus im Jahr 1781 und Neptun 1846. Neptun war der erste Planet, den Astronomen aufgrund einer theoretisch berechneten Vorhersage fanden: Sie hatten entdeckt, dass die Bahn des Uranus Unregelmäßigkeiten aufwies – woraus sie schlossen, dass die Masse eines anderen Planeten auf sie einwirkt. Auch Neptuns Bahn schien zunächst ungewöhnlich und deutete auf einen noch ferneren Planeten hin, Planet X. Erst als die Raumsonde Voyager 2 Uranus und Neptun in den 1980er-Jahren besuchte, war klar, dass die Unregelmäßigkeiten auf Beobachtungsfehlern beruhten.

In den letzten 20 Jahren lebte die Idee von Planet X jedoch wieder auf. Denn Astronomen entdeckten mehrere kleine Objekte hinter Neptun im sogenannten Kuipergürtel. Deren Apsislinien – die Verbindungslinien zwischen sonnennächstem und sonnenfernstem Punkt – zeigen in die ähnliche Richtung. Das lässt sich nicht auf Neptuns Einfluss zurückführen. Die naheliegendste Erklärung: Es muss einen weiteren Planeten weit außerhalb der Umlaufbahn von Neptun geben, dem derzeit äußersten nachgewiesenen Planeten unseres Sonnensystems.

Nun haben Konstantin Batygin und Michael Brown vom California Institute of Technology das Wissen der vergangenen zwei Jahrzehnte zusammengetragen. Sie kommen zu dem Schluss, dass sich die Suche nach Planet 9 lohnt. Denn anders lassen sich die Bahnen jener kleinen Objekte kaum erklären. Ein Zwergstern, der mit der Sonne ein bisher unbekanntes Doppelsternsystem bildet, scheidet demnach ebenso aus wie ein saturn- oder jupitergroßer Planet: Beides hätte man mit den heutigen Möglichkeiten längst entdeckt.

Foto: Shutterstock

Gemäß den Forschern müsste Planet 9 fünf- bis zehnmal so groß sein wie die Erde und die Sonne in 40 bis 170 Milliarden Kilometern Entfernung umlaufen. Das ist rund 280- bis 1100-mal so weit entfernt wie die Erde. Und er wäre 15 bis 25 Grad geneigt zu der Ebene, in der die bekannten Planeten sie umlaufen. Aufgrund der gewaltigen Entfernung ist er von der Erde sehr schwer zu entdecken. Aber Batygin ist überzeugt: „Wenn Planet 9 existiert, wird er innerhalb der nächsten zehn Jahre gefunden.“ Eines ist sicher: Sollte er sich nicht als Phantom erweisen, wird sein Entdecker in die Geschichte eingehen. Und vielleicht bekommt der Planet dann ja auch einen ansprechenderen Namen. Aus: Emerging Technology from the arXiv