MIT Technology Review 5/2019
S. 28
Horizonte
Medizin

Spende aus dem Stall

In Deutschland hoffen rund 10000 Menschen auf ein neues Organ. Die meisten warten vergebens. Könnten Organe von Schweinen sie retten? Nun stehen erste klinischen Studien bevor.

Herzchirurg Bruno Reichart (l.) pflanzte Pavianen die Herzen von Schweinen ein, die Eckhard Wolf dafür gentechnisch angepasst hat. Foto: Wolf Heider-Sawall/ Laif

Statistik kennt keine Schicksale. Sie weiß nichts von der Angst und dem Leid der Menschen, deren Krankheiten sie abbildet. Sie kennt auch Mark Freche nicht, den nur 48 Jahre jungen Ehemann und Vater dreier Kinder, von denen das jüngste erst wenige Wochen alt ist. Er ist Teil einer besonders tragischen Statistik: Freche braucht eine neue Leber, denn sein Immunsystem greift das lebenswichtige Organ an und zerstört es Stück für Stück. Wenn Freche, der eigentlich anders heißt, in den Spiegel schaut, blickt ihm oft ein gelbes Gesicht entgegen. Die Ärzte bekommen seine zerstörerischen Leberentzündungen nicht in den Griff. Ob er angesichts des Mangels an Spenderorganen jemals eine neue Leber erhält, ist ebenso ungewiss wie die Chance vieler anderer Patienten auf ein neues Herz, eine neue Niere oder Bauchspeicheldrüse.

Es sei denn, die Idee mit Ersatzorganen aus Schweinen klappt. Jahrzehntelang haben Forscher nach Wegen gesucht, tierische Organe so weit zu vermenschlichen, dass sie transplantiert werden können. Speziell für den Ersatz gezüchtet, sollen sie zunächst einfachere Organe wie Herzen, Nieren und Teilorgane wie insulinproduzierende Bauchspeicheldrüsenzellen für Diabetiker liefern (siehe Kasten S. 32). Später dann, so die Hoffnung, könnten auch komplexere Organe wie Lebern und komplette Bauchspeicheldrüsen möglich werden. In der Medizin spricht man von Xenotransplantationen. Nach mehreren Rückschlägen kamen sie fast zum Erliegen. Nun aber sind klinische Studien näher als je zuvor. Und so ist die Geschichte nicht nur die eines Durchbruchs, sondern auch eine darüber, sich nicht unterkriegen zu lassen.