MIT Technology Review 6/2019
S. 97
Fundamente
Rückschau/Vorschau

Strom aus der Luft

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind.Diesmal: Drahtloses Laden

technology review 6/2014 Energieversorgung mit elektromagnetischen Feldern.

Schluss mit Steckern, Kabeln und der ewigen Suche nach Steckdosen: 2014 sollte eine technische Revolution beginnen, die geplagte Nutzer sich seit Jahren sehnlichst wünschten: Strom für Tablets, Smartphones und andere Gadgets direkt aus der Luft. Zwar gab es zu diesem Zeitpunkt bereits diverse Geräte, die sich kabellos laden ließen. Die induktive Ladung erfordert aber einen Abstand von nur wenigen Millimetern – die Geräte müssen auf spezielle Ladeschalen oder Matten gelegt werden.

WiTricity wollte damit Schluss machen. Das vom MIT-Physiker Marin Soljačić gegründete Unternehmen entwickelte drahtlose Energie-Überträger, die im elektromagnetischen „Nahfeld“ bis zu Distanzen von einigen Metern mit hochresonanten Schwingkreisen arbeiten. In einem prototypischen Experiment zeigte Soljačić 2001 ohne großartige technische Optimierung die Übertragung von 50 Watt elektrischer Leistung über zwei Meter Entfernung mit einer Effizienz von rund 50 Prozent. Die Fachwelt zeigte sich beeindruckt.

Im Januar 2014 schließlich präsentierte WiTricity zur Elektronikmesse CES eine drahtlose Ladehülle für das iPhone, die mit dem „Referenzdesign“ eines „kostengünstigen“ Transmitter-Chips arbeitete. Man sei „im Gespräch“ mit Herstellern, die den Empfängerchip gleich in die Smartphones einbauen wollten, erklärte WiTricity damals. Die Namen der Hersteller wollte das Unternehmen aber nicht nennen. Inzwischen ist klar: Die hochfliegenden Pläne für das Consumer-Geschäft sind gescheitert. Die klassischen induktiven Ladesysteme haben auf dem Smartphone-Markt das Rennen gemacht.

WiTricity konzentriert sich daher auf den Automobilsektor. Bereits 2014 konnte das Unternehmen eine drahtlose bidirektionale Pkw-Ladestation mit einer Effizienz von 90 Prozent und Partnerverträge mit Toyota und Audi vorweisen. 2016 sollten die ersten Elektroautos mit dem System vorgestellt werden, was jedoch bislang noch nicht geschehen ist. Immerhin: 2019 eröffnete das Unternehmen ein Entwicklungszentrum in Zürich. Vielleicht braucht die Revolution ja nur ein kleines bisschen länger. WOLFGANG STIELER