INTERVIEW
„Viele Crowdworker kommen aus Venezuela“
TR: Algorithmen für selbstfahrende Autos benötigen hochwertige Trainingsdaten. Diese werden in der Regel von freien „Crowdworkern“ bereitgestellt. Wie sieht deren Arbeit aus?
![](https://heise.cloudimg.io/bound/500x500/q60.png-lossy-60.webp-lossy-60.foil1/_www-heise-de_/select/tr/2019/7/1561992202971750/tn_Florian_A._Schmidt_htw-dresden_pk-013_01.jpg)
Schmidt: Es geht beispielsweise darum, bei einer Aufnahme aus dem Straßenverkehr jedes Element klar zu definieren, ob Busch, Oma mit Rollator oder Postfahrzeug – mit der Position im Raum, damit die Maschine lernen kann, wie sich die Objekte bewegen.
Wie hat sich die Rolle der Crowd-Plattformen durch den hohen Datenbedarf der Autoindustrie verändert?
Früher boten die Plattformen ihren Kunden lediglich Zugriff auf die Crowdworker an, und die Kunden mussten selbst den restlichen Prozess managen. Heute verkaufen die Plattformen fertige Datensätze. Dabei sichern sie auch eine Mindestqualität zu, beispielsweise 99 Prozent Genauigkeit.
Wie ändert sich dadurch die Arbeit des Einzelnen?
Viele machen die Arbeit lieber als vorher. Sie können sich spezialisieren und bekommen bessere Werkzeuge. Weil sie ihr Geld direkt von der Plattform erhalten, ist die Bezahlung verlässlicher, wenn auch nicht höher. Und sie werden menschlich besser behandelt. Die Plattformen wollen ihre Spezialisten schließlich an sich binden.
Woher stammen die Crowdworker typischerweise?
Die Tendenz geht weg von den Hobbyisten in westlichen Ländern und hin zu einer Professionalisierung mit großen Auftragsvolumina, aber sehr schlechter Bezahlung in Schwellenländern. Eine meiner überraschendsten Erkenntnisse ist, dass auf mehreren Plattformen die meisten Arbeitskräfte aus Venezuela kommen. Dort gibt es eine relativ gut ans Internet angebundene Mittelschicht. Innerhalb der desolaten Situation in Venezuela stehen sie sehr gut da, haben mit Stundenlöhnen von ein bis zwei Dollar aber auch komplett die Preise ruiniert.
Haben Sie Ansätze für eine gemeinsame Interessensvertretung beobachtet?
Eher nicht. Für Arbeit, die überall erledigt werden kann, ist das sehr schwer zu realisieren.
Wird diese Art von Arbeit zunehmen, oder ist das nur eine Übergangsphase?
Künstliche Intelligenz lernt zwar ständig, neue Aufgaben zu lösen, aber es kommen auch immer mehr Aufgaben hinzu. Und dann braucht man wieder Menschen, um sie zu trainieren. Zudem wird die Validierung immer wichtiger: Menschen müssen nachträglich die Entscheidungen von Maschinen überprüfen. INTERVIEW: GREGOR HONSEL