MIT Technology Review 8/2019
S. 63
TR Mondo

CHINA

Robo-Arzt im Kindergarten

Ein gelb-blauer Roboter begrüßt die Kinder im Flur. Sein kastiger Kopf lächelt. Die Kinder beugen sich kurz herunter zu ihm, legen ihre Hände in sein Bauchfach, öffnen den Mund und laufen dann weiter. Bei dem Morgenritual prüft der Roboter namens Walklake innerhalb von drei Sekunden mit einer Infrarotkamera sowie mehreren normalen Digicams Augen, Rachen und Hände auf Symptome wie Fieber, Rötungen und Pusteln auf der Haut. Der gleichnamige chinesischen Hersteller versichert, so Hinweise auf mehr als 20 Erkrankungen wie Bindehautentzündung, Hand-Fuß-Mund-Krankheit, Grippe und Rachenentzündungen zu finden. Entdeckt er auffällige Symptome, hebt er sie in den Kamerabildern auf seinem Seiten-Display hervor und nennt die Diagnose. Eine Krankenschwester oder ein Lehrer entscheidet dann, ob das Kind zu einem Arzt oder nach Hause gehen sollte.

Mehr als 2000 chinesische Kindergärten und Vorschulen benutzen Walklake mittlerweile, um zwei- bis sechsjährige Kinder jeden Morgen zu untersuchen. Den Gesundheitscheck fordert die chinesische Regierung seit 2016, um die Ausbreitung von Krankheiten frühzeitig zu verhindern. An den meisten Kindergärten nehmen ihn immer noch Krankenschwestern vor.

Der kleine Roboter überprüft jeden Morgen die Gesundheit von Kindergartenkindern. Foto: Walklake

„Für ein strukturiertes Screening kann das System einen Beitrag leisten“, sagt Thomas Neumuth, stellvertretender Direktor des Leipziger Innovationszentrums für Computer-assistierte Chirurgie und Spezialist für modellbasierte Medizin. Die Messtechnologien sind laut Neumuth weitgehend etabliert. Wie verlässlich das System ist, sei ohne Veröffentlichungen allerdings schwer zu sagen. „Positiv ist aber auf alle Fälle, dass es die Kinder nicht gleich nach Hause schickt, sondern zu Fachpersonal für weitere Untersuchungen.“

Auch wenn Walklake keinen medizinischen Grund zur Sorge findet, sendet er die gesammelten Daten an die Kindergartenleitung. Dem Hersteller zufolge lässt sich der Gesundheitsroboter auch für andere Aufgaben nutzen. So scannt er etwa beim Abholen die Gesichter der Eltern oder Großeltern und gleicht die Aufnahmen mit hinterlegten Fotos ab. Darüber hinaus kann er Betreuer vertreten, Kinder zu Klassenräumen geleiten oder als Hilfslehrer Lieder und Geschichten abspielen.

KI-Experten wie Joanna Bryson von der britischen University of Bath mahnen allerdings zu besonderer Sorgfalt bei der Datensicherung. Sie empfiehlt, solche sensiblen Daten möglichst nicht dauerhaft zu speichern. Sie sieht aber auch die Vorteile: Die Roboter könnten die Kinder dazu animieren, lästige Untersuchungen bereitwilliger mitzumachen. „Wir sind endlos fasziniert von Geräten, die menschenähnlich aussehen und sich kontrollieren lassen“, sagt Bryson.

Medizinische Robo-Assistenten sind in China offenbar im Kommen. Auch andere Unternehmen bieten Maschinen für Gesundheitschecks an Kindern an. Darüber hinaus bestand 2017 sogar ein Roboter des chinesischen Herstellers iFlytek die Abschlussprüfung für Ärzte und erzielte mit 456 Punkten 96 Punkte mehr als erforderlich. Seitdem assistiert er Ärzten im Regionalkrankenhaus von Anhui – bislang noch als Pilotprojekt.

VERONIKA SZENTPÉTERY-KESSLER