Evolution im Zeitraffer
Darwin ging davon aus, dass Evolution zu langsam abläuft, um von Menschen direkt beobachtet zu werden. Falsch, sagt eine Gruppe von Biologen. In Städten findet die Weiterentwicklung der Arten im Turbomodus statt.
Wer etwas über Evolution wissen will, kommt um ein Beispiel kaum herum: die Darwinfinken. Vor zwei bis drei Millionen Jahren sind die Tiere erstmals auf die entlegenen Galapagosinseln gelangt. Die sind relativ kurz zuvor durch Vulkanismus entstandenen – womöglich durch einen Sturm. Weil die Vögel auf den jungfräulichen Inseln so gut wie keine Konkurrenz vorfanden, konnten sie die unterschiedlichsten Nischen des Ökosystems besetzen. Mindestens 14 verschiedene Arten sind so entstanden – je nachdem, welche Pflanzen lokal vorherrschten und wie groß und hart deren Samen waren, die den Vögeln als Hauptnahrung dienten.
Doch Darwin ging davon aus, dass solche evolutiven Prozesse erst in Zeiträumen weit jenseits unserer Lebenszeit offensichtlich werden: „Von diesen langsamen, stetigen Veränderungen bemerken wir erst dann etwas, wenn der Zeiger der Zeit das Vergehen ganzer Epochen anzeigt“, schrieb er 1859 in seinem Hauptwerk „Über die Entstehung der Arten“. Tausende oder gar Millionen Jahre müssten vergehen. So sahen das auch nachfolgende Experten. Schließlich sei die Evolution auf Galapagos ja immer noch nicht abgeschlossen. Doch so treffend Darwins Evolutionstheorie auch ist, „dieses eine Mal lag er falsch“, sagt der niederländische Evolutionsbiologe Menno Schilthuizen von der Universität Leiden. „Evolution kann viel schneller vonstattengehen, als wir lange dachten. Mitunter werden die Veränderungen binnen weniger Jahr-zehnte oder gar Jahre deutlich. Und die besten Beispiele dafür finden wir in unseren Städten.“ Um Artenbildung zu beobachten, müsse man nicht nach Galapagos reisen. Sie spiele sich mitten in dem Ort ab, in dem wir leben und arbeiten. „Und zwar mit Turboantrieb“, so Schilthuizen.