MIT Technology Review 11/2020
S. 90
Karriere
Ausbildung

Was macht eigentlich ein Flussmeister?

Flussmeister überwachen Gewässer, Stauanlagen, Fischteiche und Mülldeponien. ­Außerdem beraten sie beim Hoch­wasserschutz.

Wenn es lange und heftig regnet, ­läutet bei Erich Schmid das Telefon zuweilen Sturm. Überschießendes Flusswasser überschwemmt Straßen und Wege, angeschwemmtes Totholz staut Flüsse an Brückenpfeilern auf. Auch wenn bei einem Unfall auslaufendes Benzin ins Grundwasser zu versickern droht, ruft die Polizei bei Erich Schmid an.

Schmid ist Flussmeister. Der Beamte beim Wasserwirtschaftsamt Kempten ist einer von 216 Wächtern der Gewässer in Bayern. „Wir kümmern uns um Wasserschutz- und Überschwemmungsgebiete, Kläranlagen, Stauanlagen, Fischteiche, Mülldeponien, Industrie- und Gewerbebetriebe, kurzum alles, wo eine Gefährdung für Grundwasser, Bä­che, Flüsse und Seen denkbar ist – einschließlich der Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen“, sagt Schmid. Außerdem arbeiten Flussmeister den Planungsabteilungen der Wasserwirtschaftsämter mit Expertisen zu. Sie überwachen Projekte wie etwa die Renaturierung von Flüssen und Bächen und beraten Gemeinden und Anlieger zum Hochwasserschutz.

„Für diesen Beruf muss man naturverbunden sein“, sagt der ehemalige Werkzeugmacher und Flugzeugmechaniker-Meister. Mindestvoraussetzung ist eine Ausbildung zum Umweltschutztechniker oder zum Wasserbautechniker.

Foto: privat

Schmid schloss seine zweijährige Ausbildung in Verfahrenstechnik, regenerativem Energie- und Ressourcenmanagement, Umweltanalytik, Gewässer- und Immissionsschutz an der Technikerschule in Augsburg mit der Prüfung zum staatlich geprüften Umweltschutztechniker ab.

Mit diesem  Abschluss kann man sich in Bayern bei den 17 Wasserwirtschaftsämtern für eine 15-monatige Flussmeister-Anwärter-Ausbildung bewerben. Neben der Praxis lernen die Anwärter im Blockunterricht viel über Limnologie, Chemie, Biologie, Wasser- und Vergaberecht.

Ihr interdisziplinäres Wissen bringen Flussmeister etwa in der Wasseranalyse ein. „Eine rein chemische Analyse hat oft nur einen begrenzten Aussagewert“, sagt Schmid. „Die Analyse der Verbreitung von Bachflohkrebsen hingegen lässt Rückschlüsse auf das gesamte Gewässer zu.“ Die Tierchen seien nämlich ein verlässlicher Bio-Indikator für Schadstoffe jedweder Art.

Die Berufsbezeichnung „Flussmeister“ und die spezielle Anwärter-Ausbildung gibt es zwar nur in Bayern, doch üben deutschlandweit Wasserbauingenieure und Umweltschutztechniker oft ganz ähnliche Aufgaben aus. Joseph Scheppach