MIT Technology Review 12/2020
S. 3
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

auch wenn wir inzwischen alle mehr oder minder krisenmüde sind – in diesem Heft kommen wir zumindest nicht um die Klimakrise herum. Wir klagen nicht gerne, sondern zeigen lieber Lösungen auf. Lösungen, die das Problem nicht bei der Wurzel packen, sondern nachgeschaltet die Symptome lindern, führen bei uns in der Redaktion allerdings zu – sagen wir – lebendigen Diskussionen. Unsere Position ist eigentlich klar: Einer Kette von Fehlern mit einer neuen, unkalkulierbaren Technologie begegnen zu wollen, statt die Fehler zu beheben – das ist dämlich. Wenn die Menschheit aber einer globalen Krise wie dem Klimawandel gegenübersteht, steigt die Toleranz. Experten sind sich inzwischen erstaunlich einig darüber, dass es nicht mehr ausreicht, unseren Ausstoß an Kohlendioxid zu senken, um ein dramatisches Aufheizen der Atmosphäre zu verhindern – was zu viel ist, muss wieder raus. In unserer Titelgeschichte ab Seite 26 zeigen wir Ihnen, wie das funktionieren kann: Forschende arbeiten daran, CO2 massenhaft, erstaunlich einfach und auf unterschiedlichsten Wegen in Gestein zu verwandeln. Ja, verwandeln, nicht darin speichern.

Das enthebt uns nicht der Verantwortung, die Wurzelbehandlung fortzusetzen und unseren Ausstoß an Klimagasen zu senken. Eine wichtige Rolle in unserem Land spielt dabei das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG. Obwohl die meisten dieses sperrige, verworrene Gesetz mit steigenden Strompreisen verbinden, hat es rückblickend den Boom von Solar- und Windenergie erst möglich gemacht. Ohne dieses kleine Gesetz hätten wir der Klimakrise heute noch viel weniger entgegenzusetzen. Nun laufen 20 Jahre EEG-Förderung aus. Für uns ein guter Anlass, ab Seite 76 in unserem Fokus zu fragen: Wo stehen wir? Was brauchen wir?

Einen ganz anderen Blick auf existenzielle Krisen und die Traumata, die sie auslösen können, hat die Neuro-Wissenschaftlerin Isabelle Mansuy. Sie spricht ab Seite 48 über die Spuren, die Traumata in unseren Genen hinterlassen und die wir von unseren Ahnen erben. Und sie erklärt, wie wir mit dieser Last umgehen können – unsere Seele und die unserer Kinder vor unseren Sorgen schützen können.

Herzlich willkommen in unserer Dezember-Ausgabe!

Ihre

Jo Schilling