Technology Review Special 2020
S. 60
Umwelt, Energie und Klima

Dasselbe in Grün?

Nicht alles, was als nachhaltig bezeichnet wird, erfüllt diesen Anspruch auch. Tatsächlich sind die Herausforderungen auf dem Weg zu einer echten Biookonomie gewaltig.

Von Christiane Grefe

Es gibt nicht keine Bioökonomie“, hat Joachim von Braun einmal gesagt. Zu Recht, denn in irgendeiner Weise gehen Menschen immer mit den biologischen Ressourcen um. Wir brauchen Pflanzen und Hölzer, tierische Produkte und Mikroorganismen zum (Über-)leben, ob für Nahrung, Energie oder Medizin, für Textilien, chemische Grundstoffe, zum Bauen, zur Erholung. Im viel zitierten „Anthropozän“, dem „Menschenzeitalter“, entscheiden wir als Gattung mit vielfältigen globalen Wechselwirkungen darüber, welcher dieser Funktionen die weltweit begrenzten Flächen dienen – und welche Räume dem Schutz der Arten vorbehalten bleiben. Die Schlüsselfrage längst nicht mehr nur der Zukunft, sondern der Gegenwart ist, wie wir das tun: So wie bisher, also ­ökologisch rücksichtslos, im kurzfristigen Nutzungsinteresse derjenigen, die Zugriff auf alle Ressourcen ­haben, oder als Projekt nachhaltigen Wirtschaftens für alle? Und im zweiten Falle: Was ist dann nach­-haltig und was nur Rhetorik? Oder: Wie grün ist grün? Ziel dieses Beitrags ist, dieses Spannungsfeld ­kritisch zu skizzieren. Doch ehe ich darauf konkreter eingehe, noch ein paar Worte zum größeren politischen Rahmen.

Grafik: Shutterstock

Nachhaltigkeit ist heute der universelle Ziel-Konsens, national wie global, bei Umweltschützern wie in der Industrie. Das gilt spätestens seit die Vereinten ­Nationen die 17 „Sustainable Development Goals“ beschlossen haben. Aber das heißt eben noch lange nicht, dass alles, was sich nachhaltig nennt, die geforderten ökologischen, sozialen und ökonomischen Ansprüche auch erfüllt. Der Sprachwissenschaftler Uwe Pörksen spricht bereits von einem „Plastikwort“; einem jener Begriffe also, deren ursprüngliche politische Sprengkraft zum Scheinkonsens dekonstruiert wurde, die dabei aber als inhaltsleere Projektionsfläche politisch hoch wirksam das Engagement für einen tiefergehenden Wandel marginalisieren. Trotz oder wegen dieser entscheiden wir wie bisher, also ökologisch rücksichtslos, oder als Projekt nachhaltigen Wirtschaftens?