MIT Technology Review 3/2020
S. 38
Horizonte
Biotech
Künftig soll Tabak Impfstoffe herstellen – allerdings im ­Gewächshaus und nicht im ­Freiland. Foto: Shutterstock

Ab jetzt macht Tabak gesund

Das Coronavirus zeigt, wie wichtig rasch verfügbare Antikörper oder Impfstoffe sind. Nun sollen derartige Medikamente in Pflanzen wachsen – was nicht nur schneller, sondern auch günstiger wäre als die üblichen Methoden. Gewächshäuser würden zur Zukunft der Pharma-­Produktion.

Von Jo Schilling

Wenn es nach Julia Jansing geht, stammen Medikamente bald aus dem Gewächshaus. Es braucht keine empfindlichen Zelllinien oder Fermenter voller Bakterien – sondern Pflanzen wie Tabak. In ihnen sieht Jansing, die am Aachen-Maastricht Institute for Biobased Materials forscht, künftig in großem Maßstab humane Antikörper gegen Ebola, Krebs oder Impfstoffe gegen plötzlich auftretende Viren wachsen. Für die Medizin könnten solche Pflanzensysteme in Zukunft ein Turbo für den Notfall sein – etwa um schnell Anti­körper oder Impfstoffe gegen neu aufkommende Krankheitserreger bereitzustellen. Ein Kilogramm Tabakblätter kann ­mehrere Gramm eines Medikaments innerhalb weniger Tage herstellen. Wenn eine neue Infektionskrankheit ausbricht, wie beispielsweise das gerade grassierende Coronavirus aus ­Wuhan, wäre dieses Tempo ein Segen.

Bisher stellt die Pharmaindustrie Biologika – Medikamente wie Insulin, Grippeimpfstoffe oder therapeutische Antikörper gegen Infektionen oder Krebs – in bakteriellen oder tierischen Systemen her. Das Insulin produzieren genetisch veränderte E.-coli-Bakterien in gigantischen Stahltanks. Therapeutische Antikörper liefern Zelllinien, die ursprünglich aus chinesischen Zwerghamstern stammen. Für die Grippeimpfsaison werden jedes Jahr bis zu 500 Millionen Hühnereier benötigt.