MIT Technology Review 8/2020
S. 32
Horizonte
Künstliche Intelligenz

Warum Videos die Polizeigewalt nicht stoppen

Die Hoffnung war, dass allgegenwärtige Handykameras Polizei­gewalt verhindern, weil sie Öffentlichkeit herstellen. Die Ermordung des Afroamerikaners George Floyd hat gezeigt: Diese Hoffnung war falsch.

Von Ethan Zuckerman

Die Ermordung George Floyds durch Polizisten in Minneapolis wurde mit Smartphones gefilmt – nicht nur einmal, sondern ein halbes Dutzend Mal. Wir haben Handyaufnahmen von Zeugen, die die Polizisten anflehen, von Floyd abzulassen; die zeigen, wie Derek Chauvin minutenlang sein Knie in den Nacken eines Mannes drücken ­konnte, der schon nicht mehr bei Bewusstsein war; und wie drei Polizisten währenddessen einfach herumstanden. Zudem trugen alle beteiligten Polizisten Bodycams.

Keines dieser Videos hat George Floyds Leben geret­tet, und es ist möglich, dass keines davon zur Verurteilung seines Mörders führen wird. Chauvin wusste das. In dem Video der 17-jährigen Darnella Frazier sieht man, wie er der Jugendlichen geradewegs in die Augen schaut. Er weiß, dass sie filmt und dieses Video vermutlich auf Facebook im Stream läuft, zum Entsetzen derer, die es sich ansehen. Vor vier Jahren, in einem Vorort von St. Paul, hat der ­Polizeibeamte Jeronimo Yanez den Afroamerikaner Philando Castile erschossen, während Castiles Lebenspartnerin das ­Video auf Facebook gestreamt hat. Die an Yanez’ Polizeiwagen angebrachte Dashcam filmte alle sieben ­Schüsse, die er in Castiles Körper feuerte. Er wurde festgenommen und freigesprochen.