MIT Technology Review 9/2020
S. 46
Horizonte
Medizin
Andreas Puschnik sucht nach Wirkstoffen, die menschliche Zellen so verändern, dass sich Viren nicht mehr in ihnen ­vermehren können. Foto: Chan Zuckerberg Biohub

Universalwaffe gegen Viren

Andreas Puschnik dreht im Kampf gegen Viren den Spieß um: Er will Antiinfektiva auf den Wirt statt auf den Erreger ausrichten – und auf diese Weise Resistenzen verhindern sowie eine Universalwaffe finden. Einen ersten Wirkstoffkandidaten hat er bereits aufgespürt.

Von Veronika Szentpétery-Kessler

Virusinfektionen ähneln einem kriegerischen Überfall. Wie ein Heer marodierender Soldaten, das die Bevölkerung zwingt, es mit Essen und anderen Gütern sowie Wehrfähigen zu versorgen, so zwingen die einfallenden Viren die Zellen zur Produktion neuer Viruspartikel, bis diese die Zelle sprengen und sich als neue Heerschar aus ihnen ergießen. Lange konzentrierte sich die Wissenschaft darauf, das Heer ­direkt zu bekämpfen. Das funktioniert bei Impfungen gut – Medikamente, die direkt gegen Viren wirken, umgehen die Krankheitserreger jedoch sehr schnell mit Resistenzen. Und für jede Virusart müssen individuelle Impfungen oder Medikamente entwickelt werden.

Wissenschaftler wie Andreas Puschnik ändern daher den Fokus: Sie konzentrieren sich auf die Opfer. „Wir wollen jene Wirtsfaktoren in den Wirtszellen finden, auf die die Viren einer Familie absolut angewiesen sind und ohne die sie sich nicht vermehren können – Signalwege, Enzyme, Rezeptoren und vieles mehr“, erklärt der deutsche Virologe. Er forscht am Chan Zuckerberg Biohub in San Francisco, einem von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und seiner Frau Priscilla Chan geförderten medizinischen Forschungszentrum. Blockiert man solche Schlüsselwege, die viele verschiedene Viren nutzen, nimmt man der Invasion nicht nur die Ressourcen und stoppt sie, sondern hat vor allem einen Universalwirkstoff gegen zahlreiche Viren.