MIT Technology Review 9/2020
S. 105
Fundamente
Rückschau/Vorschau

Wasserstoff ratzfatz

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: große Wasserstoff-Elektrolyseure.

Während sich Brüssel und Berlin noch mühen, die Wasserstoffwirtschaft zum Laufen zu bringen, strömt der Energieträger in Mainz-Hechtsheim schon seit 2015. Kurz nach der ­Eröffnung berichte TR erstmals über die Erprobung der drei PEM-Elektrolyseure von Siemens. Deren Polymer-Elektrolyt-Membran lässt bei der Spaltung von Wasser nur Wasserstoff-­Protonen passieren, die sich auf der Kathodenseite zu molekularem H2 verbinden.

Was die PEM-Technik auszeichnet: Im Gegensatz zu herkömmlichen alkalischen Elektrolyseuren ist sie schnell regelbar und damit gut geeignet, um fluktuierenden Wind- und Solarstrom bei Bedarf in hochreinen grünen Wasserstoff umzuwandeln. „Bei der Regelbarkeit hat die Anlage unsere Erwartungen voll erfüllt“, berichtet Projektleiter Jonas Aichinger von den Mainzer Stadtwerken nach den ersten fünf Betriebsjahren. Bei einem Kaltstart erreicht sie in zwei Minuten ihre volle Leistung von sechs Megawatt. Zudem wurde durch Verbesserungen bei Nebenkomponenten wie Verdichtern und Gasreinigung erreicht, dass weniger Wasserstoff verloren geht.

Technology Review 9/2015Grüner Wasserstoff noch zu teuer.

Die einst erhofften Mengen an Wasserstoff konnten die Elektrolyseure im Mainzer Energiepark dennoch nicht verkaufen. Vor fünf Jahren war noch von bis zu 200 Tonnen grünem Gas jährlich die Rede, 2019 waren es laut Aichinger nur 130 Tonnen. „Für Elektrolyse-Wasserstoff gibt es noch nicht wirklich einen Markt“, erklärt der Innovationsmanager. Es ist ein bekanntes Problem: Die Abgaben, die jeder Kunde für Strom zahlt, machen grünen Wasserstoff gegenüber H2 aus Erdgas unwirtschaftlich.

Die Stadtwerke versuchen vorerst, Kunden mit höherer Zahlungsbereitschaft als Industriebetriebe zu finden – etwa Busunternehmen. „Der ÖPNV steht stärker in der Öffentlichkeit. Dort wird eher nachgefragt, wo der Wasserstoff herkommt“, sagt Aichinger. Ein Teil des Gases geht an eine Tankstelle für zwei Wasserstoffbusse der Stadtwerke. „Wir haben Strecken mit Umläufen von über 200 Kilometern pro Tag, wo Wasserstoff im Schwerlastverkehr gegenüber Batterien Vorteile hat.“  Manuel Berkel